Todesritual: Thriller (German Edition)
und gar nicht richtig.
In den ersten paar Stunden hatten sie die Straße ganz für sich allein, keine Menschenseele vor ihnen, niemand hinter ihnen. Der Nebel lichtete sich, und die Sonne begann, die Erde langsam zu schmoren. Gegen Mittag waberten Hitzewellen über dem Boden, und alles an dem Auto war so heiß, dass man es nicht mehr berühren konnte. Max lief der Schweiß, er rutschte auf seinem Sitz hin und her, während Benny kühl und ruhig blieb. Alle Fenster waren offen, aber der Duft frischer Kräuter war längst verschwunden, die Luft roch schwer nach Dung und ab und an, zur Abwechslung, nach Holzrauch und verbrannten Stoppeln.
Der DeSoto fuhr deutlich besser als der Chevy. Er lief schneller, leiser und sehr viel runder und war trotzdem nur ein charmanter Schrotthaufen, aufgemotztes Blech auf ungleichen Rädern, angetrieben von einem viel zu kleinen Motor. Die Innenausstattung war unbequem. Die vordere Sitzbank – nicht etwa zwei Sitze – war mit einer Mischung aus dünnem Schaumstoff und etwas, das sich anfühlte und klang wie altes Zeitungspapier, aufgepolstert worden. Der Bezug der Rückbank hatte durch flatternde Handtücher, Vorhänge und verwaschene Bettlaken ersetzt werden müssen. Aber zumindest von außen sah er gut aus, ein Wagen mit Straßenpräsenz, der fast die gesamte Fahrbahn einnahm, langgezogen und mit Art-déco-lastigen Zierelementen und einem Kühlergrill, der an gefletschte Zähne erinnerte.
Unterwegs sahen sie Bauern, die mit Pflügen, gezogen von buckligen Ochsen, ihre Felder bestellten. Die Bauern blieben stehen und gafften dem Auto hinterher, als wäre das etwas, von dem sie zwar gehört, das sie aber noch nie in echt gesehen hatten. Manche rissen sich den Strohhut vom Kopf, schwenkten ihn durch die Luft und riefen ihnen einen Gruß hinterher. Benny verzog das Gesicht und murmelte Beleidigungen.
Max schaltete noch einmal das Radio ein. Knistern und weißes Rauschen, dazwischen Musikfetzen und ab und an ganz kurz Stimmen. Er schaltete es wieder aus.
Je weiter sie ins Inland vordrangen, umso schlechter wurden die Straßen, der Belag zusehends rissiger und löchriger, bis er schließlich ganz verschwand und nur noch eine von Spurrillen durchzogene, unbefestigte und von Schlaglöchern übersäte Trasse vor ihnen lag. Sie fuhren durch Dörfer und Kleinstädte, die noch keine Touristen-Pesos und keine UN-Hilfen gesehen hatten, vergessene Ansiedlungen mit niedrigen Gebäuden und hohen Schuttbergen, in denen kaum eine Menschenseele anzutreffen war. Max musste häufig bremsen und ausweichen, um keine frei laufenden Tiere zu überfahren: Ziegen, Schweine, Esel und einmal ein großes Packpferd, das mitten auf der Straße stand und sich erst von der Stelle rührte, nachdem es einen riesigen Haufen Pferdeäpfel abgelassen hatte.
Erst nachdem sie das Pferd passiert hatten und auf die nächste Kleinstadt zufuhren, bemerkte Max den Mercedes.
Sofort erinnerte er sich an die beiden Zivilpolizisten an der Anhalterstation auf dem Weg nach Trinidad. Es war das gleiche Auto, ein viertüriger 190er Turbo mit getönten Scheiben. Es war ein gutes Stück weit weg, mindestens einen halben Kilometer hinter ihnen – die klassische Verfolgungstaktik: das Zielobjekt im Blick behalten, ohne selbst gesehen zu werden, auch wenn das auf einer offenen Landstraße ohne irgendwelchen Verkehr praktisch unmöglich war.
Weiter vorn sah Max einen kleinen Obstmarkt am Straßenrand, dort hielt er an.
Er stieg aus und tat, als wolle er das Angebot in Augenschein nehmen: einen Klapptisch mit Kokosnüssen, einen mit Bananen, einen mit Mangos und einen mit Wasserflaschen. Das Obst stank und war von Fliegen übersät. Der Verkäufer war ein fast zahnloser alter Mann im Jeansoverall. Max kaufte Kokosnüsse und Wasser. Der alte Mann hackte ein paar grobe Löcher in die Kokosnüsse und riskierte dabei flüchtige Blicke zu Benny, der sich hinter der staubigen Windschutzscheibe im Spiegel die Lippen nachzog.
Max schaute die Straße entlang und sah, dass der Mercedes angehalten hatte, Chromteile und Glas blitzten in der Sonne.
Er zog das Telefon aus der Tasche. Endlich Empfang. Er wählte Rosa Cruz’ Nummer. Es klingelte ein Dutzend Mal, dann sprang die Mailbox an. Er hinterließ keine Nachricht.
Mit seinen Einkäufen kehrte er zum Wagen zurück, ein Schwarm Fliegen folgte ihm.
»Keinen Hunger«, sagte Benny.
»Wie du willst.«
Sie fuhren los, Max schaute in den Rückspiegel. Der Mercedes hatte sich wieder in Bewegung
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