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Todesritual: Thriller (German Edition)

Todesritual: Thriller (German Edition)

Titel: Todesritual: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Stone
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gesetzt und zog eine Staubwolke hinter sich her.
    »Wen hast du angerufen?«, fragte Benny.
    »Die Geisterjäger.«
    »Wen?«
    »Egal.«
    Max saugte beide Kokosnüsse leer und warf die Schalen aus dem Fenster, sobald sie wieder durch offene Felder fuhren. Der Mercedes war weit zurückgefallen, aber er war immer noch da.
    Max versuchte es noch einmal mit dem Radio. Knistern auf allen Kanälen.
    »Wir sind hier mitten auf dem Land. Radio ist nicht gut. Warte, wenn wir nach eine große Stadt kommen. Ciego de Ávila, Camagüey, zum Beispiel«, sagte Benny.
    Sie fuhren an einem Wachturm aus Sowjetzeiten vorbei, einer Art Pillendose auf einem einzelnen Pfeiler, der wie ein versteinertes Periskop aus der Erde ragte. Geier umkreisten ihn im Tiefflug.
    »Hast du Verwandte in Amerika?«, fragte Max.
    »No.«
    »Freunde?«
    »No.«
    »Hast du hier Verwandte?«
    »Eine Schwester und zwei Brüder. Wir reden nicht miteinander.«
    »Und deine Eltern?«
    »Meine Mutter ist tot. Sie war ein guter Mensch. Mein Vater, wir reden nicht. Er schämt sich für mich, weil ich homosexuell bin. Er sagt, ich bin nicht sein Sohn.«
    »Das tut mir leid.«
    »Warum tut dir leid? Ist nicht deine Familie«, sagte Benny.
    »Das sagt man doch so.«
    »Und du? Hast du Familie?«
    »Nein. Meine Eltern sind beide tot. Geschwister habe ich nicht«, sagte Max.
    Zumindest ging er davon aus, dass sein Vater tot war. Er war abgehauen, als Max zehn Jahre alt war. Ein paar Geburtstagskarten hatte er noch bekommen – im ersten Jahr aus Kalifornien, danach aus Michigan, dann aus Buffalo. Danach nichts mehr. Ein paar Mal hatte Max mit dem Gedanken gespielt, seinen Vater ausfindig zu machen, wenn auch nur, nachdem er sich allein betrunken und traurigen Jazz gehört hatte – eine Gesangseinlage von Chet Baker brachte ihn für gewöhnlich an diesen Punkt. Sein Vater war Bassist in einer Jazzband gewesen. Er hatte regelmäßig in Hotels gespielt, ein paar Mal im Radio und ein Jahr lang auch in der Studioband eines Fernsehsenders. In diesen Momenten fragte sich Max, ob aus seinem alten Herrn ein zweiter Baker geworden war, ein altersschwacher Junkie mit falschen Zähnen und einer Horde zorniger Exfrauen. Als ihm das letzte Mal der Gedanke gekommen war, seinen Vater zu suchen, war er nüchtern gewesen. Das war an seinem 34. Geburtstag gewesen, nachdem Sandra gesagt hatte, wie absurd es sei, dass er regelmäßig Vermisste aufspürte, aber nicht einmal in der Lage war, die wichtigste vermisste Person seines Lebens ausfindig zu machen. Also hatte er ein paar Telefonate getätigt und immerhin in Erfahrung gebracht, dass Mingus senior einmal in Portland, Oregon mit einer Schwarzen namens Janet zusammengelebt hatte. Von dort hätte er weitergehen können, bis zur Haustür seines Vaters oder, im Fall des Falles, bis zu dessen Grabstein, aber er hatte keine Ahnung, was er ihm hätte sagen sollen, falls er noch am Leben war, und wie er das Zeitliche gesegnet hatte, wollte er nicht wissen. Also hatte Max es dabei belassen, ein offenes, ungelöstes Mysterium.
    Seiner Frau hatte er erklärt, dass es ihm so am liebsten sei, dass alles andere nur eine unnötige Unterbrechung zweier Lebenswege bedeuten würde, die vor langer Zeit auseinandergelaufen waren. Es war ja nicht so, dass er seinen Vater vermisste. Er hatte ihn auch nicht gehasst, weil er sie verlassen hatte, oder es ihm auch nur übelgenommen. Er hatte stillschweigend die Version seiner Mutter akzeptiert, dass sein Vater hinter den Frauen her war, vor allem hinter schwarzen Frauen, und dass er im Grunde ein totales Arschloch war. Sie hatten sich ohnehin nie besonders nahegestanden: Sein alter Herr war die meiste Zeit auf Tour gewesen, und wenn er mal zu Hause war, war er in sich gekehrt und unnahbar gewesen und hatte sich eingeschlossen, um Bass zu üben. Die tiefen Töne hatten die Wände ihres Reihenhauses zum Beben gebracht, und Max erinnerte sich nicht, je etwas anderes von ihm gehört zu haben. Dass er irgendwann endgültig abgehauen war, hatte keinen großen Unterschied gemacht, hatte im Grunde überhaupt nichts verändert. Mittlerweile konnte sich Max nicht einmal mehr an die Stimme seines Vaters erinnern, welchen Akzent er gesprochen hatte, ob er geraucht und getrunken hatte, an seinen Körperbau oder seine Augenfarbe. Genauso wenig hatte er irgendeine besondere Freundlichkeit oder Gemeinheit von ihm in Erinnerung, was, wie er fand, nicht das Schlechteste war. Er war ohne eine Hassfigur aufgewachsen, und ohne etwas

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