Todesritual: Thriller (German Edition)
einzigen Kubaner außer Benny waren junge Frauen, die Hand in Hand mit einem Soldaten flanierten, vor den Bars auf dem Schoß eines Soldaten saßen, drinnen auf den Tischen tanzten oder mit einem Soldaten in einem der Häuser verschwanden, in deren Fenstern Stundenpreise angegeben waren.
Alle paar Meter stand ein Papp-Castro in grüner Kampfuniform mit Kappe und schwarzen Stiefeln auf dem Gehweg, eine Zigarre zwischen den gefletschten Zähnen, die Finger zum Peace-Zeichen gereckt. Jeder einzelne von ihnen war in irgendeiner Weise verunstaltet. Man hatte ihnen Schimpfwörter aufs Gesicht gekritzelt oder auf den Körper gesprüht und sie mit Wahlkampfstickern von Bush/Cheney oder McCain/Palin beklebt.
Die einzigen Autos waren ähnlich uralte Schlitten, wie die Kubaner sie fuhren, nur in sehr viel besserem Zustand. Die Karosserien erstrahlten in frischem Lack und Wachs, die Chromteile blitzten, und die Scheiben waren so klar wie Spiegel.
Sie kamen an einem gut besuchten Kasino vorbei, im Eingang standen kubanische Miezen mit Frack, Krawatte und schwarzem Mieder und lockten die Passanten heran. Ein Sinatra-Imitator übertönte mit einer perfekten Interpretation von »Pennies From Heaven« den Lärm der Geldspielautomaten und Rouletteräder. Es folgten ein Bowling-Center mit sieben Bahnen, ein Spielzeugladen und ein Schießstand, wo auf Castros, Guevaras und Bin Ladens aus Blech geschossen wurde. Der erste Preis war »eine echte kubanische Flagge«.
Fast am Ende der Straße stießen sie auf einen Laden namens Gitmo Gear , der Souvenirs von der Militärbasis Guantánamo Bay feilbot. Zum Beispiel lebende Leguane – das inoffizielle Maskottchen des Stützpunkts – mitsamt Käfig oder tote in zwei Ausführungen: ausgestopft oder in einem großen Glas in Formaldehyd konserviert. Es gab auch Leguan-Schlüsselanhänger, Leguan-Stifte und -Tassen und Kühlschrankmagnete für Sie und Ihn, auf denen die Leguane Bermudashorts oder Bikini mit Paisleymuster trugen. Auch T-Shirts gehörten zum Angebot: »Willkommen in den Taliban-Towers – der neuesten Fünf-Sterne-Anlage der Karibik« stand auf einem, darunter die Silhouette der Einfahrt zur Basis, bestehend aus einem bemannten Wachturm und einer mit Nato-Draht bewehrten Mauer. Außerdem gab es ein orangefarbenes Modell, das mit einem Skelett im Hidschab bedruckt war, und ein graues Muskelshirt mit einem Leguan, der mit verschränkten Armen vor den »Stars and Stripes« stand, dazu der Schriftzug »Joint Task Force – Defenders of Freedom«. Sie wurden in allen Formen und Größen angeboten, in XXXXXL -Elefantengröße und für Kleinkinder.
Als Max vor dem Schaufenster stand, bemerkte er eine Spiegelung im Glas: ein Neonschild in Form eines großen fünfzackigen Sterns, der erst rot, dann weiß, dann blau blinkte.
Er drehte sich um. Das Schild hing an dem größten Haus dieser bizarren, hermetisch abgeriegelten Straße: zwei Stockwerke mit Balkonen, geschlossenen Fensterläden und einer texanischen Flagge am Mast neben dem Eingang.
The Lone Star.
50
Drinnen wurden sie von rötlichem Schummerlicht und dem stechenden Gestank nach Zigarrenrauch in Empfang genommen. Dann laute Musik, ein Gemisch aus Rock und Rap, das zu Hause richtig populär sein musste, weil die Männer zappelten wie Setzlinge im Seitenwind – Luftgitarren, Teufels-Zeichen, Headbanging, Hüftstöße –, während sich die Frauen um sie herum in einem Stadium verhaltener Eleganz wiegten, ihre Bewegungen, genau wie ihr Partylächeln, diplomatisch, ihre Augen aber sagten: Esta música gringa es una mierda.
Es war voll, aber nicht zu voll. An den Wänden und in den Ecken saßen Soldaten und Frauen in fröhlichen Runden und redeten und lachten, die Frauen reine Requisiten wie die Aschenbecher, die Bier- und Schnapsgläser, die durchtränkten Bierdeckel auf den langen Tischen.
In der Mitte des Raumes standen Männer in dichten Fünfertrupps beisammen, tranken ihr erstes Bier und nahmen die Frauen in Augenschein, die schweigend und einsatzbereit ihnen gegenüber Position bezogen hatten, dazwischen leerer Raum. Zur Rechten die Theke. Sie war gut bestückt und schien sich bis in die Unendlichkeit zu erstrecken, damit auch jeder Gast schnell bedient werden konnte. Verkauft wurden nur amerikanisches Bier, amerikanischer Alkohol und amerikanische Softdrinks – und jene dicken kubanischen Zigarren, an denen praktisch alle Anwesenden herumnuckelten.
Kellnerinnen brachten Getränke zu den Tischen und leere Gläser
Weitere Kostenlose Bücher