Todesritual: Thriller (German Edition)
nach Hause, in sein Penthouse mit Meerblick auf der Collins Avenue. 1997 hatte er für die Wohnung eine halbe Million Dollar hingelegt. Die einzige gescheite Investition, die er je getätigt hatte – zumindest hatte er das damals geglaubt. Kurz nachdem er die Wohnung bezogen hatte, hatten die Hippen und Schönen Miami für sich entdeckt, und die Immobilienpreise waren in ähnlich absurde Höhen gestiegen wie zuletzt während des Kokain-Booms. Heute wie damals hatten sich die Dinge geändert.
Die Wirtschaft befand sich im freien Fall, Banken kollabierten, Unternehmen fuhren gegen die Wand, und die Immobilienpreise stürzten in den Keller. Das ganze Land wurde mit den Füßen voran in eine neue Depression gezogen, und Miami tanzte noch um das Abflussloch.
Das Penthouse lag im 13. Stock, und er liebte es, abends draußen auf der Terrasse zu sitzen und aufs Meer hinauszuschauen. Den Wellen zu lauschen und die frische, salzige Luft auf dem Gesicht zu spüren, machte ihm den Kopf frei, und er fand ein klein wenig Frieden.
Die Räume drinnen, hinter der Fensterfront, waren dunkel und praktisch leer. Tagsüber strömte das Sonnenlicht herein und wärmte den dunklen Mahagonifußboden, der das Licht aufsaugte wie ein Ölteppich eine Vogelfeder und die grelle Helligkeit abmilderte. Er verlieh dem Zimmer eine graphitgraue Färbung. An der rechten Wand standen, fast im Schatten verborgen, ein paar Möbel, als würden sie dort gelagert oder als hätte man sie beiseitegeschoben, um den restlichen Raum noch größer zu machen.
Es war schon eine Weile her, dass Max hier eine Party gegeben oder Besuch gehabt hatte – seit seinem achtzehn Monate währenden Besäufnis, das ihn am Ende ins Krankenhaus gebracht und ihn den Großteil seines Vermögens und seine Selbstachtung gekostet hatte.
Im Dezember 1996 war er mit 20 Millionen Dollar, die aus Drogengeldern stammten, aus Haiti heimgekehrt. Das war sein Honorar gewesen für die erfolgreich abgeschlossene Suche nach einem vermissten Kind. Damit hatte er eigentlich ausgesorgt, hätte eigentlich alles gut sein sollen. Aber es war anders gekommen.
Er hatte nicht gewusst wohin mit dem vielen Geld. Einen solchen Batzen hatte er allenfalls einmal als Polizist bei einer Drogenrazzia zu Gesicht bekommen. Zu der Zeit, als er aus dem Dienst ausgeschieden war, hatten die Drogenbarone dermaßen viel Bargeld eingenommen, dass sie allen Ernstes Land aufkauften, um es dort zu vergraben. Polizisten hatten aus beschlagnahmten Scheinen kleine Bergketten aufgetürmt und sich davor fotografieren lassen. Der eine oder andere ließ sich von den Fotos persönliche Grußkarten anfertigen.
Zur Bank bringen konnte er das Geld nicht, das hätte nur Fragen aufgeworfen, und man hätte ihn unter die Lupe genommen – die Polizei, das FBI und das Finanzamt. Die hätten das Geld beschlagnahmt und ihn auf die schwarze Liste gesetzt. Den Ärger konnte er nicht gebrauchen.
Also kaufte er sich einen Safe und baute ihn in dem Haus in Key Biscayne ein, in dem er mit Sandra gewohnt hatte. Dort wollte er den Rest seines Lebens verbringen, umgeben von den greifbaren Erinnerungen an seine Frau. Während er im Gefängnis gesessen hatte, hatte sie in dem Haus alles so belassen, wie es war, wahrscheinlich damit er in eine vertraute Umgebung zurückkehren und daran anknüpfen konnte. Ein Jahr vor seiner Freilassung war sie an einer Gehirnblutung gestorben. Er hatte ihre Kleider unberührt im Schrank und in der Kommode vorgefunden, sie trugen noch einen schwachen Hauch Parfüm. In seinen Träumen lag er neben ihr, hielt sie in den Armen und lauschte ihren Atemzügen. Wenn er morgens aufwachte, war da nur leerer Raum. Jeden Sonntag besuchte er ihr Grab, brachte ihr frische Blumen und las ihr, auf einem Jagdhocker sitzend, aus einem ihrer zahlreichen Bücher vor. Bei Regen und bei Sonnenschein. Das Leben war einfach. Niemand konnte Sandra ersetzen, und so hatte er sich gar nicht erst umgeschaut, hatte keinen Gedanken daran verschwendet.
Sechs Millionen Dollar hatte er in Treuhandfonds für Joes Kinder hinterlegt, zwei Millionen für Jet und je eine Million für die anderen. Mit dreißig würden sie darauf zugreifen können. In dem Alter, so glaubte er, würden sie vernünftig genug sein, um verantwortlich mit dem Geld umzugehen.
1997 hatte er in Joes Haus Yolande Pétion kennengelernt, eine haitianisch-amerikanische Ex-Polizistin. Sie hatte erzählt, dass sie in Miamis Little Haiti eine kleine Privatdetektei aufmachen wolle.
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