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Todesritual: Thriller (German Edition)

Todesritual: Thriller (German Edition)

Titel: Todesritual: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Stone
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Tatsächlich aber überkam ihn ein absurdes Gefühl der Ruhe, ähnlich der unweigerlichen Erschlaffung, die der Erleichterung folgt – näher war er dem inneren Frieden noch nie gekommen. Zum ersten Mal in seinem Leben verstand er die Welt, in der er lebte. Alle hatten ihre eigene Wahrheit, alle spielten ihr Spiel. Hinter jedem Lächeln steckte der Hohn, hinter jedem Kuss ein Biss, jede Zärtlichkeit straffte sich zu einem Schlag, und jede helfende Hand ballte sich zur Faust. Die ganze Wahrheit dieser Welt summierte sich zu einer einzigen großen Lüge.
    »Sie haben recht«, sagte er nach einer Weile.
    »Sie sind nicht sauer?«
    »Wozu?«, sagte er. »Dazu ist es zu spät. Und überhaupt … wissen Sie was? Es ist mir egal. Wirklich egal. Ich bin zu weit und zu tief gegangen und zu nah dran, als dass das noch eine Rolle spielen könnte. Mir ist nichts mehr geblieben als das, was auf dieser Insel auf mich wartet.«
    Sie wurden von hinten in Licht gebadet, die staubige braune Innenausstattung des Wagens war zu erkennen. Ein Auto näherte sich.
    »Ich schätze, es ist Zeit zu gehen«, sagte er.
    54
    Das Wasser der Windward-Passage war ruhig und glasklar, das Boot glitt sanft und schnurgerade darüber hinweg wie ein geisterhafter Schlittschuh, der Motor schnurrte vor sich hin, während sie mit gleichmäßiger Geschwindigkeit unterwegs waren. Der Mond war nicht zu sehen, dafür beherrschten eine Milliarde Sterne den Himmel, und den südlichen Horizont umspielte ein bläulicher Schimmer, als wollte da etwas Großes und Radioaktives aus dem Meer steigen.
    Max stand unter Deck und sah durch das Bullauge des Lagerraums Kuba entschwinden. Die Dunkelheit verschluckte die Umrisse des Landes und die wenigen gelben und weißen Lichter an seiner dünn besiedelten Küste, bis nichts mehr erkennen ließ, von wo er gekommen war, als nur das Kielwasser, das sich weit über den Ozean zog.
    Sie waren auf einem betagten russischen Patrouillenboot: dreißig Meter abgeplatzte und fleckige graue Farbe mit diversen Macken, eine Brücke mit zwei zugenagelten Fenstern und einem dritten mit einem Riss in der Mitte, der von einer Patronenkugel herrühren mochte. Im Bug ein stämmiges Artilleriegeschütz, das so verrostet und altertümlich war, dass es wie ein aussortiertes Museumsstück wirkte, das man nur zur Schau dort festgeschraubt hatte.
    Rosa saß neben ihm und überprüfte ihre Waffe. Sie zog den Schlitten zurück, fing die ausgeworfene Patrone auf und zog das Magazin heraus. Die Patrone kam zurück ins Magazin, das Magazin zurück in die Waffe, der Schlitten fuhr wieder an seinen Platz, die Patrone in der Kammer, und sie zog den Hahn, legte die Sicherung um und steckte die Pistole wieder ins Holster. Dann saß sie kurz reglos da, atmete, und fing wieder von vorn an. Nach dem dritten Mal wurde es nervig, aber er sagte nichts. Ihr Gesicht war ausdruckslos wie eine Maske, aber sie vermied es, ihm in die Augen zu sehen, beschäftigte sich mit irgendetwas, um nicht denken zu müssen, und hielt ihre Hände in Bewegung, damit sie nicht zitterten. In Augenblicken wie diesen hatte Max früher Kette geraucht. Joe hatte sich die Handgelenke gedehnt.
    Marco war oben auf der Brücke, das einzige Besatzungsmitglied.
    Er war ein echter Baum von einem Mann, einen Kopf größer als seine Exfrau, kurzes graumeliertes Haar, reichlich Sommersprossen und strahlende, blaugrüne Augen von der Art, die man als »irische Augen« bezeichnete. Sandra hatte oft gesagt, Max hätte sie – besonders wenn er wütend wurde oder betrunken, oder beides.
    Nicht, dass sich Max und Marco wegen gemeinsamer Vorfahren gleich nähergekommen wären. Der Mann war Max fast unverhohlen feindselig begegnet wie einem potenziellen Rivalen, hatte im Geiste an ihm geschnüffelt und ihn eingeschätzt, um herauszufinden, was er mit Rosa so alles anstellte und ob er sich in einem Kampf zu wehren wusste, falls es dazu kommen sollte. Max hatte ihm trotzdem die Hand hingestreckt, der Höflichkeit halber. Wie zu erwarten, hatte Marco die Geste ignoriert und die Hand angestarrt wie einen dreckigen Wischmopp. Rosa war eingeschritten. Sie und Marco hatten geredet. Er benutzte seine Muttersprache auf eine Art und Weise, die ihr jede musikalische Nuance nahm, presste die Worte zu so engen Bündeln zusammen, dass seine Sätze herauskamen wie ein in die Länge gezogenes Grunzen. Doch so stoffelig er auch klang, war doch unverkennbar, dass in ihm noch immer ein schier unkontrollierbares Feuer für

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