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Todesritual: Thriller (German Edition)

Todesritual: Thriller (German Edition)

Titel: Todesritual: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Stone
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Kapiert?« Sie waren schwarz und weiß in einer Stadt, die schwarz oder weiß war, in der die Hautfarbe eine gewaltige Rolle spielte. Schwarze Polizisten trauten Joe nicht, weil er mit Max auf Streife fuhr. Weiße Polizisten trauten Max nicht, weil er von einem schwarzen Polizisten lernte. Dieses Spielfeld konnte nicht einmal eine Legende wie Eldon Burns, der für seine Skrupellosigkeit bekannt war, kontrollieren. Die Trennlinien brachten die beiden einander näher, und was sie gemeinsam durchmachten, schweißte sie zusammen. Max erinnerte sich, wie sie sich viele Male gemeinsam betrunken und bekifft hatten, wie sie gemeinsam Frauen aufgerissen, wie sie sich alles erzählt hatten. Er dachte an die Fälle, die sie gelöst hatten. Sie hatten viel gelacht. Und er dachte an ihre Streitgespräche über Musik und Politik. Bruce Springsteen gegen Curtis Mayfield. Nixon, Ford, Carter, Reagan, Bush senior, Bush junior. Bei Obama waren sie sich endlich einig gewesen.
    Jetzt weinte er, eingehüllt von Wärme wie im Schoß einer Mutter, allein und doch unter Menschen, umgeben von so viel Liebe, wie er sie seit ewigen Zeiten nicht mehr gespürt hatte. Das machte ihn nur noch trauriger, weil er wusste, dass Joe das alles nicht mehr erleben würde.

    9
    Als Max nach Hause fuhr, regnete es. Stete, schnurgerade Bindfäden, praktisch ohne einen Windhauch. Es war halb fünf Uhr morgens, und auf der Washington Avenue wimmelte es von Menschen, die mit Jacken und Handtaschen über dem Kopf aus den Clubs gerannt kamen, in Autos oder Taxis oder jene stundenweise zu mietenden kilometerlangen weißen Limousinen mit den verdunkelten Scheiben sprangen. Partygänger unter Alkohol- und Drogeneinfluss taumelten Hand in Hand über den Gehweg, schrien und grölten, sangen und lachten und stolperten, das Wetter störte sie nicht. Ein Obdachloser mit zerfleddertem Regenschirm gab den Fred Astaire. Ein Mann in Militäruniform stand in Habachtstellung vor einer blinkenden »Stars and Stripes«-Flagge in einem Souvenirladen und hob zum Gruß die Hand an die Mütze. Eine Frau in einem silbernen Kleid kotzte sich die Seele aus dem Leib, ein Mann hielt ihr zärtlich die Haare aus dem Gesicht, in der anderen Hand ihre Schuhe. Wahrscheinlich Briten, dachte Max. Ein dumpfer, gleichförmiger Bassbeat dröhnte vor sich hin, und bei jeder einzelnen Bassnote hüpften und liefen die Regentropfen auf seiner Windschutzscheibe, liefen und hüpften. Es klang, als würde in sämtlichen Clubs der gleiche verdammte Song gespielt, und als wollten alle Noten zu einer einzigen Hymne auf die westliche Jugend des 21. Jahrhunderts verschmelzen – computergenerierte, wort- und stimmlose Baukastenmusik, die die Katastrophe ohne Rettung zelebrierte, Marschmusik für Schafe.
    Er musste in die Bremsen steigen, als vor ihm eine Conga tanzende Menschenmenge unter einer Plastikplane auf die Straße lief, bestimmt fünfzig oder sechzig Männer und Frauen in Halloween-Kostümen, die sich wie ein kopfloser, transparenter chinesischer Neujahrsdrache auf und nieder schlängelten. Hinter ihm wurde gehupt. Eine Frau aus der Menge drehte sich um, zog den Reißverschluss ihres paillettenbesetzten Kleids herunter und schaukelte ihre großen, mit Troddeln versehenen Brüste – nur dass sie Implantate hatte und es aussah, als würden die Brüste sie schaukeln und nicht umgekehrt.
    Während Max in seinem Acura saß und wartete, dass die höckerige menschliche Schlange endlich von dannen kroch, fühlte er sich wie ein Außerirdischer in einer Raumkapsel, der zum allerersten Mal an diesem leicht bedrohlichen und zutiefst unwirtlichen Ort gelandet war. Er konnte sich nicht vorstellen, noch sehr lange hier zu wohnen. Er spürte, dass seine Zeit so gut wie abgelaufen war. Er und diese Stadt waren fertig miteinander. Sie wollte ihn nicht. Sie hatte keinen Platz für ihn.
    Es war nicht leicht in Worte zu fassen. Miami war auf dem absteigenden Ast. Die guten Zeiten waren vorbei. Natürlich hatte die Stadt immer ihre Zyklen gehabt, ihre Kultur von Tod und Wiedergeburt, zwanzig Jahre Boom und zehn Jahre Bankrott. Aber irgendetwas sagte ihm, dass sie sich dieses Mal nicht wieder erholen würde, dass er soeben der letzten großen Party beiwohnte, bevor etwas Bedeutendes zu Ende ging. Die Menschen tanzten auf kreditkartendünnem Eis über dem riesigen, dunklen Loch der Pleite, und mit jedem frenetischen Stampfen ihrer Designerabsätze beschleunigten sie den Einbruch noch. Aber sie hatten es noch nicht

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