Todesritual: Thriller (German Edition)
und Betrüger.
Der Name »Vanetta Brown« stand ganz oben auf der Liste der Polizistenmörder. Daneben ein Link: die blau unterlegten Buchstaben »IT«. Max klickte darauf, und es öffnete sich ein neues Fenster mit der Seite »FBI: Meistgesuchte Verbrecher«. Dort wurde Brown als »Inlandsterroristin« geführt und ihr Verbrechen kurz geschildert, es folgten Angaben zu ihrem derzeitigen Aufenthaltsort (»Havanna – nicht bestätigt«) sowie zu der von der Regierung auf ihren Kopf ausgesetzten Belohnung: 500 000 Dollar.
Als Nächstes landete Max auf Justice4Dennis.com, die der Erinnerung an Dennis Peck gewidmet war. Auf der Startseite prangte ein offizielles Polizeifoto von Peck in blauer Ausgehuniform: ein jugendlich frischer, rothaariger Fünfundzwanzigjähriger mit Sommersprossen und Grübchen, in den blauen Augen jenes vertraute Strahlen der Neulinge, die noch nicht auf der Straße gewesen waren, wo es ihnen ausgetrieben wurde. Max hatte das Gefühl, dass diese Augen auch seine hätten sein können, dass sie ein Spiegel waren, der ihm sein ganzes unerfülltes Potenzial und all die gebrochenen Versprechen mit einer einzigen Frage reflektierte: Warum hatte er sein Leben dermaßen gegen die Wand gefahren?
Unter dem Foto standen Pecks Lebensdaten: 9. November 1934 – 4. Juni 1968.
Mit dreiunddreißig gestorben.
Max fand auch eine Schilderung des Tathergangs. Vanetta Brown hatte 1968 während einer Polizeirazzia im Gebäude der Schwarzen Jakobiner in Overtown die Flucht ergriffen. Dennis Peck war an der Razzia beteiligt gewesen. Vier Augenzeugen hatten ausgesagt, gesehen zu haben, wie Brown auf ihn schoss, bevor sie durch ein Fenster im Erdgeschoss entkam.
Bei der Razzia waren große Menge Heroin, Geld und Waffen sichergestellt worden.
Captain Eldon Burns und Lieutenant Abe Watson hatten die Operation geleitet.
Vanetta Brown verschwand von der Bildfläche und entzog sich einer landesweiten Fahndung. 1971 tauchte sie in Kuba wieder auf, wo Fidel Castro sie als unschuldiges Opfer des rassistischen, imperialistischen Amerika bezeichnete. Mit Freuden gewähre man ihr Zuflucht, verkündete er. Sie bekam Asyl.
Pecks Familie und seine Kollegen riefen die Justice4Dennis-Bewegung ins Leben, deren einziges Ziel es war, Brown in die USA zurückzuholen und sie für ihr Verbrechen vor Gericht zu stellen. Seit 1972 schrieben sie Castro jedes Jahr einen Brief und beantragten ihre Ausweisung. 1997 hatten die Angehörigen sogar Papst Johannes Paul II. angeschrieben und ihn gebeten, die Angelegenheit bei seinem Kuba-Besuch im darauffolgenden Jahr mit Castro zur Sprache zu bringen. Umsonst. Castro hatte sich nicht gerührt.
Auf der Seite fand sich auch eine Diashow mit Familienfotos: Dennis Peck bei der Abschlussfeier der Polizeiakademie, an seinem Hochzeitstag und mehrmals mit seinen Töchtern Wendy und Thelma. Wendy war die ältere. Fotos von ihr mit der Dienstmütze ihres Vaters auf dem Kopf, mit einem Ministreifenwagen spielend und am Steuer eines echten sitzend, Letzteres mit der obligatorischen Sonnenbrille, die viel zu groß war für ihr Gesicht. Dann ihre erste Kommunion und Weihnachten mit der Familie am Strand. Das letzte Foto zeigte beide Töchter, inzwischen erwachsen, Hand in Hand an Pecks Grab stehend.
Der letzte Suchtreffer führte zum Online-Fotoarchiv des Miami Herald , wo Max zwei mit seiner Anfrage verknüpfte Fotos fand. Das erste eine Studioaufnahme von Vanetta in Schwarz-Weiß aus dem Jahr 1967. Sie hätte Model oder eine Blaxploitation-Queen sein können. Sie war umwerfend schön – dunkle Haut, hohe Wangenknochen, volle Lippen, großer Mund –, aber mit dieser Schönheit so wütend und streitbar, dass jeder Hauch von Sinnlichkeit aus ihren Zügen gewichen war.
Bei dem zweiten Foto handelte es sich um eine offizielle Porträtaufnahme von Wendy Peck aus dem Jahr 2006, die aus Anlass ihrer Ernennung zur Leiterin der Heimatschutzbehörde von Miami an die Presse herausgegeben worden war. Schulterlanges kastanienbraunes Haar, blaue Augen und ein Lächeln, das mehr formell als freundlich wirkte. Sie ähnelte ihrem Vater.
Max schaute seine Notizen durch.
Fragen:
Joe – was hatte er damit zu tun? Er war damals noch auf Streife gefahren.
Was hatten die Detectives der Mord- und Raubkommission, Eldon Burns und Abe Watson, bei einer Drogenrazzia verloren?
Er stockte.
Ihm schwante nichts Gutes.
Er wusste, dass Eldon von Anfang an bis zum Hals in illegaler Scheiße gesteckt und nach der Pfeife von Victor
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