Todesritual: Thriller (German Edition)
Abfallverbrenner.
Dann fuhr er zu einer Tankstelle, die rund um die Uhr geöffnet hatte, und ließ den Wagen von innen und außen reinigen. Während der Dreck weggesaugt und der Gestank aus den Sitzen geseift wurde, befreite er Petra. Sie war eingeschlafen. Max rüttelte sie wach. Sie zuckte zusammen, schnappte nach Luft und blinzelte.
»Haben Sie Rudi gesehen?«
»Keiner zu Hause.«
Das Auto war noch nicht fertig. Also ging er zu Fuß die Collins Avenue hoch, die Washington hinunter und dann auf die Lincoln Road. Er hörte die Glocken der Miami Beach Community Church, die vom Band kamen. Vor den Toren der Kirche blieb er stehen und betrachtete die Buntglasfenster und das goldene Licht dahinter. Er spielte mit dem Gedanken hineinzugehen, wie er es früher getan hatte, wenn er Raum und Ruhe zum Nachdenken brauchte. Ganz in der Nähe gab es einen Irish Pub. An den Tischen draußen saßen Menschen, die tranken, redeten und schauten. Einen Drink hätte er jetzt gut vertragen können. Im Grunde brauchte er einen. Aber einer war nie genug gewesen. Aus einem waren immer zwei geworden, oder drei, vier, fünf, elf, zwölf. Die Mathematik des Vergessens. Er spürte, wie der Geist seiner alten Süchte, die Verlockungen der Friedensstifter, an ihm zerrten, wie sie nach ihm riefen. Sie würden ihn nie in Ruhe lassen.
Auch an den Ort wollte er nicht gehen.
Das Mariposa hatte wieder geöffnet, und an der Stelle, an der Joe gestorben war, saßen wieder Menschen und aßen. Er hatte es nicht anders erwartet. In Miami blieb die Geldmaschine niemals stehen. Sie rollte rücksichtslos über alles und jeden.
Dreiundzwanzig Uhr.
In einer Telefonzelle wählte er die 911.
Er erzählte dem Beamten, wo fünf Leichen und sehr viel Geld zu finden seien.
23
Vierter November.
Wahltag.
Frühstücksfernsehen im Lokalsender, der Ton fast aus. Ein ewig langer Wetterbericht, dann Experten, die eine hohe Wahlbeteiligung voraussagten und dass Obama in Florida knapp gewinnen und damit die Präsidentschaft erringen würde. Sarah Palin bei einer Wahlkampfveranstaltung am Tag zuvor. John McCain bei einer anderen.
Max musste an Joe denken. An diesem Tag würde vielleicht ein Afro-Amerikaner zum Präsidenten gewählt werden. Joe war völlig aus dem Häuschen gewesen wegen Obama, hatte es nicht glauben können, als er in den Vorwahlen die ersten Siege über Hillary Clinton einfuhr. Als Obama zum Kandidaten nominiert wurde, hatte Joe Tränen vergossen. Wenige Minuten, bevor er ermordet worden war, hatte Joe ihn noch eingeladen, zusammen mit seiner Familie die Wahlsendungen zu schauen. Die Einladung stand noch. Und er würde sie annehmen.
Max wollte Obama gewinnen sehen. Nicht zum Wohle des Landes, nicht einmal, weil es für Millionen schwarzer Amerikaner, jene Nachfahren der Bürger zweiter Klasse im Land of the Free , so unendlich viel bedeutete. Sondern er wollte es für Joe, seinen besten Freund, der noch nicht einmal unter der Erde lag, und im Gedenken an Sandra.
Er schloss die Augen und versuchte an sie zu denken, aber er konnte nichts anderes sehen als nur die von Kugeln durchsiebten Leichen, die in Erde und Dollarscheinen begraben lagen. Wer hatte sie umgebracht? Und warum hatte der Mörder so viel Geld vergraben? Vielleicht war es Falschgeld. Vielleicht hatte Milk sich nicht nur mit Pornografie beschäftigt.
Und was hatte das alles mit ihm zu tun? Gab es irgendeinen Zusammenhang zwischen den Morden und dem Film?
Die Polizei würde mit ihm reden wollen. Sie würden seine DNS auf den Leichen, auf dem Geld und auf der Schaufel finden. Und Petra würde ihnen erzählen, dass er im Büro gewesen war und stinkwütend nach Rudi gefragt hatte. Er überlegte, ob er sich als Zeuge melden sollte. Das konnte er jetzt unmöglich entscheiden.
Irgendwie gelang es ihm, all diese Gedanken beiseitezuschieben und zu schlafen.
Als er aufwachte, war helllichter Tag.
Und auf dem Fernseher, den er hatte laufen lassen, war zu sehen, wie mehrere Leichen auf Bahren von Milks Grundstück getragen wurden, dazwischen Aufnahmen von Milk und Sharona bei einer AVN-Preisverleihung.
»Das Massaker von Coral Gables.«
Max drehte lauter. Die Reporterin berichtete, zwei schwarze Männer seien bereits festgenommen worden. Schnitt zu dem ermittlungsleitenden Detective, der vor der Polizeidirektion interviewt wurde. Er steuerte weitere Einzelheiten bei. Streifenpolizisten hätten die Männer in einem gestohlenen Lexus gesehen. Sie hätten auf Aufforderung nicht
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