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Todesritual: Thriller (German Edition)

Todesritual: Thriller (German Edition)

Titel: Todesritual: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Stone
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ersten Wohnhäuser der Gegend war. Es war im gleichen mediterran angehauchten Stil erbaut wie alle alten Häuser in Coral Gables. Es hatte etwas von der Solidität und der diskreten Opulenz vergangener Zeiten; ein Denkmal aus einer Zeit, als Klasse noch etwas war, das man nicht kaufen oder sich zulegen konnte, weil man sie entweder hatte oder nicht.
    Schande also über seinen derzeitigen Besitzer.
    Der ihm nicht die Tür öffnete.
    Er klingelte ein drittes Mal. Wieder dieses leise Ding-Dong-Geglocke, das von den dicken Wänden fast verschluckt wurde. Durchs Fenster spähte er in die Eingangshalle mit Kleeblattmuster im Mosaikfußboden. Von der Decke hing ein Kronleuchter. Das einzige Möbelstück war ein zwei Meter fünfzig großes Holzding zur Rechten, das Max anfänglich für eine Standuhr hielt, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten und sich das, was er für Kanten und Linien gehalten hatte, als Kurven einer weiblichen Skulptur erwiesen. Sie stand mit dem Gesicht zur Wand, den gewaltigen, strammen Po der Welt zugedreht. Auf ihrem Kopf hockte eine ausgestopfte Möwe. Max hielt die Skulptur für ebenso passend wie geschmacklos – während der ursprüngliche Besitzer dieses Symbol des Erfolgs mit seinem irischen Erbe geschmückt hatte, hatte Milk dem (wie Max vermutete) brasilianischen Bunda ein Denkmal gesetzt. Er fragte sich, ob die Möwe zur Skulptur gehörte.
    Er schaute hoch in die Überwachungskamera, die zu seiner Linken an der Wand hing und auf ihn gerichtet war. Er starrte in ihr regloses Auge. Er winkte. Er lächelte. Und er sagte mit überdeutlichen Lippenbewegungen: »Hallo, kennen Sie mich noch?«
    Er drückte noch zweimal schnell hintereinander auf die Klingel. Er wusste, dass es sinnlos war. Entweder war tatsächlich niemand zu Hause, oder sie machten ihm einfach nicht auf.
    Das Licht des Spätnachmittags verdichtete sich, je schwächer es wurde; ein weiches Buttergelb mit leicht ockerfarbenem Einschlag färbte die ausladenden Palmblätter golden und ließ das Gras glitzern. Ein zarter Zitronenduft lag in der Luft.
    Max schaute den kurzen Kiesweg zurück zu dem offenen Tor, durch das er hereingekommen war. Ein Schild am Tor warnte vor den Hunden. Er hatte angenommen, dass ein Anwesen dieser Größe mehr als einen Wachhund brauchte, und so hatte er sich einen Teleskopstock und eine Dose Pfefferspray eingesteckt, bevor er aus dem Wagen gestiegen war. Aber bislang war kein Hund zu sehen. Er hatte nicht einmal Bellen gehört.
    Er schaute wieder hoch zur Kamera, deren starres Auge auf ihn gerichtet war. Er stellte sich vor, wie Milk oben im Haus saß und ihn grinsend auf dem Monitor beobachtete, vielleicht zeichnete er ihn sogar auf, für seinen nächsten Film.
    Herrgott, wie gern er wieder Polizist wäre. Die Marke, die einem überall Einlass verschaffte. Und wie gern er wieder jung wäre. Er vermisste die verwegenen, gedankenlosen Impulse, die ihn längst dazu gebracht hätten, das Schloss mit dem Dietrich oder einer Kugel aufzubrechen.
    Dann plötzlich sah er etwas Helles im Fenster auftauchen, wie ein Gesicht, das hinter dem Glas erschienen war, um einen kurzen Blick zu erhaschen.
    Er schaute wieder hinein.
    Nichts.
    Er klopfte an die Glasscheibe.
    »Milk, ich muss mit Ihnen sprechen«, sagte er. Er spähte in die leere Eingangshalle. Irgendetwas hatte sich verändert. Er wusste nur nicht genau, was. »Kommen Sie schon, machen Sie auf.«
    Er hämmerte noch ein paar Mal gegen das Fenster.
    Sein Blick wanderte zu der Skulptur.
    Und zu dem Vogel auf ihrem Kopf.
    Der nicht mehr da war.
    Er suchte ihn. Er saß nicht auf dem Fußboden, und er flog nicht durch die Luft.
    Max schaute zu dem Kronleuchter hoch, der ganz leicht hin und her schwang. Darauf saß die Möwe und sah ihn unverwandt an.
    Dann stieß sie sich ab und flog los, wobei sie zunächst gut einen Meter nach unten sackte, bevor sie sich zur Decke erhob und dann in einem eleganten, perfekten Bogen auf die Skulptur zusegelte. Sie nahm wieder ihren Platz auf dem Kopf der Frau ein, trat von einem Fuß auf den anderen und stand dann wieder reglos da.
    Max stieg von der Veranda und ging zur Rückseite des Hauses. Er fand das Gartentor, das er nur ganz leicht anstieß und das wie von selbst aufschwang.
    Er folgte dem gepflasterten Fußweg in den weitläufigen, von Rosen, Bougainvilleen und Bananenstauden gesäumten Garten, wo er endete. Ganz unten standen drei Zitronenbäume, deren Früchte prall und reif waren; viele lagen auf der

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