Todesritual: Thriller (German Edition)
ausgehalten, in gewisser Weise. Aber Russland konnte sich das im Grunde nicht leisten, er war ein alter und praktisch impotenter Herr. Dann starb er und ließ sie mittellos zurück. Jetzt ist Kuba allein. Sie hat ein paar Verehrer, die sie für das lieben, was sie einmal war, aber nicht so, wie sie heute ist. Venezuela ist voller Leidenschaft, aber seine Taschen sind nicht sehr tief. China ist interessiert, aber das ist eine Fernbeziehung, die nur selten vollzogen wird. Und dann sind da noch Kanada und Spanien, aber die wollen Kubas alten Luden Amerika nicht verärgern, der seine Stiefel immer noch unter ihrem Bett stehen hat, in Guantánamo, und darauf wartet, den Kreislauf wieder von vorn beginnen zu können.«
Pinel steckte sich eine komplett weiße Cohiba-Zigarette an, die wie eine Zigarre roch. »Verzeihen Sie mein Geschwätz. Ich bekomme nicht oft Besuch. Darf ich fragen, was Sie von Vanetta Brown wollen?«
»Der Mann auf dem Foto …«, fing Max an.
»Ich habe seinen Namen vergessen …«
»Sie kennen ihn?«
»Ich würde nicht sagen, dass ich ihn kenne«, sagte Pinel. »Wir sind uns nur dreimal begegnet.«
»Sie haben Joe kennengelernt? Joe Liston? Diesen Mann?« Max tippte auf das Foto.
»Ja. Worum geht es hier, Mr. Mingus?«
»Ich bin ein Freund von Joe.«
»Soweit ich mich erinnere, war er Polizist. Sind Sie auch Polizist?«
»War ich. Vor dreißig Jahren. Damals war Joe mein Partner. Jetzt ist er tot. Vor Kurzem gestorben.«
»Das ist ja schrecklich.« Pinels von Natur aus traurige Miene verdüsterte sich noch ein bisschen mehr. »War er krank?«
Max entschied, ihm nicht die Wahrheit zu sagen. »Es war ein plötzlicher Tod.«
»Ohne zu leiden.« Pinel nickte. »Das ist das Beste. Von einer Minute auf die andere weg vom Fenster. Ich würde am liebsten im Schlaf sterben, sodass es mir gar nicht auffällt.«
»Wann haben Sie Joe kennengelernt?«
»Das erste Mal habe ich ihn 1987 oder 88 getroffen. Da waren die Russen noch hier.«
Ein Jahr, bevor Max in den Knast gewandert war.
»Sind Sie sicher?«
»Ja. 1994 oder 95 habe ich ihn wiedergesehen, nachdem ich ihr Buch veröffentlich hatte.«
»Welches Buch?«
»Das sie geschrieben hat. Black Power in the Sunshine State. «
»Das hat sie geschrieben?« Max runzelte die Stirn.
»Unter Pseudonym.«
»Kimora Harrison?«
»Haben Sie es gelesen?«
»Ja«, sagte Max. »Aber es ist keine Autobiographie. Es ist in der dritten Person geschrieben.«
»Das wollte sie so. Sie wollte keinerlei Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie hatte viele Feinde.«
»Sie meinen die Angehörigen von Dennis Peck.«
Pinel nickte.
Max erinnerte sich an das Buch. Es beschäftigte sich vor allem mit der Organisation der Schwarzen Jakobiner – wofür sie gestanden und was sie in ihrem kurzen Dasein Positives bewirkt hatten – und weniger mit Vanetta Brown und dem Mord an Dennis Peck. Das machte nur einen kleinen Teil einer Erzählung aus, in der es in erster Linie um Ideologie und Philanthropie ging und weniger darum, Browns Namen reinzuwaschen und die Vorwürfe gegen sie zu widerlegen.
»Hat sie je den Namen Eldon Burns erwähnt?«
»Ja, ja, natürlich.« Er nickte. »Sie hat ihn gehasst. Sie wünschte ihm den Tod. Er hat die Razzia gegen das Haus der Jakobiner geleitet, und sie machte ihn persönlich für den Tod ihrer Tochter und ihres Mannes verantwortlich.«
»Hat sie sich dazu genauer geäußert?«
»Nein.« Pinel drückte seine Zigarette in einem Aschenbecher aus Glas aus. »Aber sie hat oft gesagt, dass es zwar falsch sei, einem Menschen Böses zu wünschen, aber dass sie trotzdem hoffe, lange genug zu leben, um Eldon Burns in die sterbenden Augen zu schauen.«
»Seine sterbenden Augen? Das hat sie gesagt, genau so?«
»Ja.« Pinel nickte.
»Sie hat also davon geredet, ihn umbringen zu wollen?«
»Ach was. Sie ist kein gewalttätiger Mensch. Nicht einmal ein hasserfüllter Mensch«, sagte der alte Mann. »Sie wollte einfach nur die letzte Person sein, die er zu sehen bekommt, bevor er stirbt.«
Max dachte kurz darüber nach und speicherte es ab.
»Und was ist mit Joe? Was hat der hier gemacht?«
»Hat er Ihnen das nicht erzählt?« Pinel betrachtete ihn misstrauisch.
»Er war Polizist in Miami«, sagte Max. »Er durfte gar nicht hier sein. Wenn das rausgekommen wäre, hätte es für seine Karriere das Aus bedeutet. Er hat mir also nicht davon erzählt. Er hat es niemandem erzählt. Nicht einmal seiner Familie. Aber für den Fall seines Todes hat er
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