Todesrosen
weißt, dass wir zusammenarbeiten.«
»Wollen die mich festnehmen?«, murmelte das Mädchen mit so leiser und dünner Stimme, dass man sie kaum verstehen konnte.
»Niemand will dich festnehmen«, erklärte Eva Lind. »Sie wollen dich bloß nach deiner Freundin fragen, über die wir vorhin gesprochen haben. Die, die gedrückt hat. Du brauchst aber nur mit ihnen zu reden, wenn du möchtest. Wenn du willst, dass sie wieder gehen, sag ich ihnen, sie sollen abhauen.«
»Wie heißt du?«, fragte Erlendur. Sigurður Óli ging wieder in die Küche und zog sein Handy aus der Tasche.
»Charlotte«, antwortete sie. »Lotte, die Kokotte, macht mit vieren Hottehotte«, trällerte sie anschließend vor sich hin, und dann verstummte sie.
»Weißt du etwas über die Leiche, die wir auf dem Friedhof gefunden haben?«, fragte Erlendur vorsichtig.
»Sie hat diesen Kerl gehasst«, sagte das Mädchen und sah Erlendur dabei direkt in die Augen. »Das war so ein Fiesling, der sie geschlagen und zu ekelhaften Dingen gezwungen hat.«
»Wer war das?«
»Sie war meine Freundin, und den Kerl bringe ich um.«
»Wohnst du hier?«
»Ja.«
»Hat deine Freundin auch hier gewohnt?«
»Ja.«
»Wie heißt sie?«
»Birta.«
»Weißt du, wie ihr Vater heißt?«
»Nee.«
»Kennst du sie schon lange?«
»Schon ewig.«
»Und du weißt nicht, wie sie mit vollem Namen heißt?«
»Birta! Das sage ich doch die ganze Zeit. Sie heißt Birta.«
»Wieso glaubst du, dass Birta tot ist?«
»Wir wollten uns am Sonntagmorgen treffen, aber sie kam nicht, und ich habe sie seitdem nicht gesehen. Und dann habe ich von der da auf dem Friedhof gehört, und jemand hat mir gesagt, dass sie das war. Ich bin mir ganz sicher, ich weiß, dass sie das ist.«
»Wer hat dir gesagt, dass sie auf dem Friedhof gefunden wurde?«
»Jemand.«
»Weißt du, wer dieser Mann war, vor dem sie sich fürchtete?«
»Ja, der Mann, der sie umgebracht hat.«
»Weißt du, wer das ist?«
»Das wollte sie nicht sagen.«
»Hast du ihn gesehen?«
»Nein.«
Eva Lind sah ihren Vater an.
»Was weißt du sonst noch über Birta?«, fragte Erlendur.
»Sie war echt super.«
»Weißt du, ob sie einen Freund gehabt hat?«
»Sie hat viele Jungs gekannt.«
»Dieser Mann …«
»Der besitzt jede Menge Häuser«, erklärte Charlotte. »Alle sollen in seine Häuser einziehen, das hat Birta erzählt. Damit hat er sich immer dickegetan. Er hat ihr auch gesagt, wer da in seine Häuser einziehen sollte.«
»Was für Häuser besitzt er?«
»Ihm gehören alle Häuser. Ihm gehören alle Häuser auf der ganzen Welt.«
»Auf der ganzen Welt?«
»Mir geht’s beschissen«, sagte Charlotte und sah Eva Lind an. »Ich will nicht mehr.«
Eva Lind gab ihrem Vater ein Zeichen, dass er aufhören solle. Sigurður Óli erschien wieder in der Tür und steckte sein Handy in die Tasche. Erlendur ging zu ihm.
»Wir haben uns mit dem Besitzer dieses Hauses in Verbindung gesetzt«, sagte Sigurður Óli, als sie wieder in der Küche waren. »Der ist ein guter alter Bekannter von uns. Er vermietet diese Bruchbude und lebt selber in einer Villa in Breiðholt. Die Kollegen vom Rauschgiftdezernat haben ihn im Verdacht, dass er Stoff unter die Jugendlichen bringt, und er steht auf unserer Liste der verdächtigen Drogenschmuggler. Er erwartet uns. Du kennst ihn auch, Herbert. Der, der sich manchmal Rothstein nennt.«
»Herbert?«, wiederholte Erlendur verwundert. Eva Lind kam zu ihnen in die Küche.
»Diesen Herbert Rothstein kennst du doch auch?«, fragte Erlendur.
»Herbie?«, antwortete sie zögernd. »Der hat doch echt ’ne Macke. Geilt sich an allem auf, was amerikanisch ist, und läuft in diesem Cowboy-Outfit herum. Alle finden, dass der echt nicht richtig tickt. Er nennt sich selber Herb. Aber viele haben auch Angst vor ihm. Der hat nämlich den ganzen Verkauf unter sich und ist knallhart. Offiziell ist er Autohändler, aber ihm gehört auch einer von diesen Pornoclubs und was weiß ich noch. Ist das hier sein Haus?«
»So ist es jedenfalls eingetragen. Was meinst du mit Pornoclub?«
»Ach, dieses ›Boulevard‹ da.«
»Gehört ihm das ›Boulevard‹?«
»Das hab ich gehört.«
»Was ist mit Birta?«, fragte Erlendur. »Hast du sie vielleicht auch gekannt?«
»Nee, überhaupt nicht. Eine Freundin von mir hat von Charlotte erzählt, weil die seit gestern dauernd was von irgendeiner Birta faselt – dass sie bestimmt umgebracht worden ist und dass sie den Kerl alle machen will, der das getan
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