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Todesrosen

Todesrosen

Titel: Todesrosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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Er saß leicht vornübergebeugt und hielt mit beiden Händen das Steuer umklammert.
    »Damit ist kaum etwas anzufangen«, sagte Erlendur. »Vielleicht lässt es sich aber etwas schärfer machen, damit wir besser sehen können, wonach wir suchen.«
    »Nach wem wir suchen«, warf Elínborg ein.
    »Ist da bei diesen Tattoo-Typen was rausgekommen?«, fragte Sigurður Óli.
    »Einer dieser Leute gibt zu, einem Mädchen vom Land ein J auf den Po tätowiert zu haben. Als sie zu ihm kam, war sie völlig zugedröhnt, sagt er. Es ist zwar schon etwas länger her, aber er ist sich sicher, dass es sich um ein Tattoo von ihm handelt. Ich weiß allerdings nicht, wie zuverlässig dieser Typ ist. Eigentlich wusste er gar nichts. Genau wie wir.«

Zehn
    Kaum war Erlendur am Montagabend nach Hause gekommen, rief Eva Lind wie versprochen an. Sie klang etwas hektisch.
    Bislang war nichts von Belang bei den Ermittlungen herausgekommen, doch am späten Nachmittag hatte Erlendur immerhin einen präziseren Obduktionsbericht erhalten. Eine Quetschung am Hals des Mädchens deutete darauf hin, dass kurz vor ihrem Ableben versucht worden war, sie zu erwürgen. Man nahm an, dass der Tod durch Ersticken herbeigeführt worden war; in der Nase und im Rachen hatten sich Leinenpartikel gefunden. Unter den Nägeln waren Stofffasern, die noch genauer analysiert werden mussten. Der Körper des Mädchens wies außerdem diverse äußere Verletzungen auf. Es wurde darauf hingewiesen, dass das endgültige Ergebnis der Blutuntersuchung noch ausstand.
    »Ich weiß von einem Mädchen, das dein Mädchen kennt«, sagte Eva Lind. Der Akku ihres Handys war offenbar fast leer, und sie war schlecht zu verstehen.
    »Bist du sicher?«, fragte Erlendur.
    »Ich glaube … Ich … gerade bei ihr … ist im Augenblick in Ordnung … beeilen.«
    Erlendur bekam gerade noch mit, wo Eva Lind sich aufhielt. Er rief Sigurður Óli an, und sie fuhren zusammen ins Stadtzentrum. Es war schon fast Mitternacht. In der Ferne ragte die Silhouette des Gletschers Snæfellsjökull aus dem Meer auf, und die Sonne schien sich eine Weile darauf auszuruhen, bevor sie ihren Lauf durch die Sommernacht fortsetzte. In der Stadt waren Spaziergänger unterwegs, die das schöne Wetter und die Mitternachtssonne genossen. Erlendur und Sigurður Óli wechselten unterwegs nur wenige Worte. Sie stellten das Auto auf dem Parkplatz hinter dem Parlamentsgebäude ab, gingen die kurze Strecke bis zur Domkirche und bogen in die Kirkjustræti ein. Dort betraten sie ein heruntergekommenes, rotes Holzhaus. Die Haustür stand offen. Ein unidentifizierbarer Geruch, der an gesengte Schafköpfe erinnerte, schlug ihnen entgegen. Trotz der hellen Nacht war es drinnen im Haus dunkel, denn vor den Fenstern hing etwas, was Decken ähnlicher war als Gardinen. Von der Straße gelangten sie direkt in eine kleine Küche, die übersät war mit Fastfood-Verpackungen. Jetzt sahen sie auch, woher der Gestank kam: von einer schwarzen Lederjacke, die auf einer eingeschalteten Kochplatte vor sich hinschmorte. Erlendur riss sie vom Herd. Auf dem Rücken der Jacke war bereits ein großes Loch entstanden. Der Raum neben der Küche war vermutlich als Wohnzimmer vorgesehen, dessen Einrichtung aber nur in einer einzigen Matratze mit braunem Cordbezug und einem uralten Teppich bestand. Der Teppich tat sich schwer damit, die Holzdielen des Fußbodens abzudecken. Aus diesem Raum gelangte man in ein weiteres kleines Zimmer, in dem Eva Lind und ein anderes Mädchen, das nicht älter als siebzehn oder achtzehn sein konnte, auf der Kante eines großen Betts hockten.
    »Bist du etwa mit deiner ganzen Truppe angerückt?«, fragte Eva Lind gereizt und starrte Sigurður Óli an. Das Zimmer war irgendwann einmal weiß gestrichen gewesen, doch jetzt waren die Wände von oben bis unten verdreckt oder bekritzelt; an einer Stelle sah es so aus, als sei der Inhalt einer Kaffeetasse an die Wand gespritzt. »Mit ’nem Stahlbrett vor der Stirn gilt man oft als großes Hirn«, las Erlendur an einer Wand. Gereimt und mit Alliteration, dachte er. In einer Ecke stand die lebensgroße Pappfigur irgendeines berühmten Hollywoodschauspielers, die bestimmt aus einem Kino geklaut worden war. Erlendur kannte ihn nicht. Das Mädchen neben Eva war blond, schlank und hatte ein schmales Gesicht mit merkwürdig verschleiertem Blick. Der Lippenstift auf ihrem kleinen Mund war verschmiert.
    »Das hier ist Sigurður Óli«, sagte Erlendur. »Sonst ist niemand mit dabei. Du

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