Todesrosen
unsicher, und Herbert blieb das nicht verborgen. Er hätte es nie für möglich gehalten, dass er in seinem Leben jemals einem Mann Gewalt antun und ihn gefangen halten würde. Aber die Wut trieb ihn an, Wut und Hass denen gegenüber, die schuld an Birtas Schicksal waren. Manchmal stieg der Hass so vehement in ihm hoch, dass er den Verstand zu verlieren glaubte. Er spürte aber, dass es ihn nur stärker machte und stählte, und er nutzte dieses Gefühl, um das zu tun, was er tun musste.
Herbert sah zu ihm hoch und wusste nicht, was er darauf antworten sollte. So ein dämliches Gesülze hatte er schon lange nicht mehr gehört. Am liebsten wäre er auf dieses Arschloch losgegangen und hätte ihn massakriert, doch dazu war er im Augenblick nicht in der Lage. Ich muss mich gut mit ihm stellen, überlegte Herbert, erst mal hier raus, dann kann ich ihn immer noch umlegen. Bei Laune halten. So langsam konnte er wieder klar denken, und der Rothstein in ihm gewann die Oberhand.
»Wo bin ich? Was ist das hier eigentlich für ein Rattenloch? Ist das etwa ein Grab? Willst du mich lebendig begraben? Wer zum Teufel bist du eigentlich?«
Er antwortete nicht.
»Was ist das für ein Geruch? Was sind das für Türen?«
Er sah auf Herbert herunter.
»Wenn du mich jetzt rauslässt, können wir alles vergessen, understand? Ich mach mich vom Acker, und es ist nie etwas passiert, okay? Weshalb fragst du mich so was Idiotisches? Verflucht noch mal, wieso sollte ich Gewissensbisse wegen anderen haben? Wenn die Leute Gift kaufen wollen, dann kaufen sie Gift. Meins hat auf jeden Fall super Qualität.«
»Ich war Birtas Freund. Janus.«
Herbert schwieg eine Weile und versuchte, sich zu erinnern.
»Du befindest dich in einem Räucherofen«, erklärte Janus. »Das ist es, was du riechst. Du liegst in einem Schiebekasten unter der Räucherkammer, wo das Brennmaterial reingepackt wurde. Ich hab hier früher gearbeitet. Du kannst brüllen, so viel du willst, hier hört dich keiner. Ich wollte bloß herausfinden, ob du so was wie ein Gewissen hast.«
»Ich hab Birta nicht umgebracht«, sagte Herbert. »So viel steht fest. Ich hab nicht das Geringste damit zu tun.«
»Oh doch, du hast was damit zu tun. Du denkst nie darüber nach, was du den Menschen antust, das sind doch noch richtige Kinder, und du sorgst dafür, dass sie an das Giftzeug rankommen und süchtig danach werden. Ich denke aber darüber nach. Ich kannte Birta schon, bevor sie nach Reykjavík ging. Wir waren befreundet. Ein paar Jahre später habe ich sie wiedergetroffen, und da war sie total verändert. Ich weiß nur zu gut, dass sie sich selber in diese Situation hineinmanövriert hat, sie war selber schuld daran, aber Reykjavík hatte genauso große Schuld, genauso wie die Leute, mit denen sie rumhing. Vor allem aber du. Du hast sogar noch viel mehr als nur Schuld, denn du hast mit ihrer Schwäche gespielt. Du hast sie missbraucht und ihre Sucht bis zum Äußersten ausgenutzt. Du hast sie Dinge machen lassen, die sie sonst niemals getan hätte. Nur damit sie an das Gift herankam. Du hast sie das Zeug für dich einschmuggeln lassen. Du hast sie es verkaufen lassen, und du hast sie dazu gebracht, auf den Strich zu gehen, damit sie das Geld dazu hatte, dir den Stoff abzukaufen. Du hast ihr alle Menschenwürde genommen. Sie hat zum Schluss überhaupt kein eigenes Selbst mehr gehabt, sie war total von dir abhängig. Kannst du dir vorstellen, wie es ist, wenn man überhaupt keine Perspektive mehr hat? Und auf ein widerliches Schwein wie dich angewiesen ist?«
»Ja, und du? Was hast du eigentlich gemacht, du dämliche Niete?«, schrie Herbert, der sich allmählich dunkel an Janus erinnerte. »Du Scheißkerl hast dich an Birta gehängt und sie total abgerippt. Glaubst du, ich hätte das nicht gewusst? Sie fand dich beknackt, du warst in ihren Augen eine komplette Niete!«
Herbert begann, so laut um Hilfe zu schreien, dass es im Räucherofen widerhallte. Janus saß immer noch regungslos in der Hocke da und starrte auf den Mann hinunter, der sich vergeblich in der Lade aufzubäumen versuchte. Nach einer Weile verstummte Herbert wieder.
»Und was hast du gemacht, als du der Einzige warst, der ihr helfen konnte?«, fuhr Janus unbeirrt fort. »Ich habe mich zwar an Birta geklammert, aber ich hatte nie so eine Macht über sie wie du. Ich wünschte, ich hätte ihr so viel bedeutet wie du ihr. Ich wünschte, sie hätte für mich all das getan, was sie für dich getan hat. Alles, um was
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