Todesrosen
Informationen gebrüstet, die er an einem sicheren Ort aufbewahre, und es hatte fast wie eine Drohung geklungen. Kalmann wusste sehr genau, dass Herbert nicht davor zurückschrecken würde, seine eigenen Klöten zu verkaufen, falls er in Bedrängnis kam und es die eigene Haut zu retten galt.
Erlendur beschloss, das Gespräch vorsichtig anzugehen und abzuwarten, wie es sich entwickeln würde.
»So merkwürdig das klingen mag, dein Name ist im Zusammenhang mit dem Mord an der jungen Frau auf dem Friedhof aufgetaucht, von dem du sicherlich gehört haben wirst«, sagte er. »Ein Mann namens Herbert hat dich auf deinem Handy angerufen, kurz nachdem wir ihn verhört haben. Und dieser Herbert ist seitdem verschwunden, sozusagen wie vom Erdboden verschluckt, und es wird nach ihm gefahndet. Wir hätten gern gewusst, was er mit dir zu besprechen hatte, nachdem wir uns mit ihm unterhalten hatten. Weshalb hat er dich angerufen, und was für eine Verbindung besteht da zwischen euch?«
»Seid ihr sicher, dass es meine Nummer war?«, fragte Kalmann, während er ein edles Zigarettenetui zur Hand nahm, es elegant öffnete, sich eine Zigarette zwischen die Lippen steckte und sie mit einem zum Etui passenden Feuerzeug anzündete.
»Herbert rief aus einer Telefonzelle vor dem Telefonamt an. Er fuhr dazu extra aus Breiðholt in die Innenstadt. Aus irgendwelchen Gründen wollte er offensichtlich nicht von seinem eigenen Anschluss aus anrufen. Das Telefonamt hat die Standortdaten verifiziert, du warst in New York. Was wurde da zwischen euch besprochen? Weshalb hat Herbert dich angerufen, nachdem er vom Tod des Mädchens erfahren hatte?«
»Und ihr kommt deswegen tatsächlich in aller Herrgottsfrühe hierher, als stünde wegen derartiger Lappalien der Weltuntergang bevor? Das hättet ihr euch sparen können. Ich wurde in New York mehrfach angerufen, sowohl auf dem Zimmertelefon als auch auf meinem Handy, und da kommt es immer wieder vor, dass jemand sich verwählt. Manchmal legt der andere Teilnehmer gleich wieder auf, und man hört nur das Besetztzeichen. Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendein Herbert mich angerufen und über den Tod irgendeines Mädchens geredet hat. Ich kenne keinen Herbert, und falls er meine Handynummer angewählt hat, ist das nicht mein Problem. Hat sich eben verwählt, das passiert doch dauernd.«
»Du kennst also keinen Herbert?«, fragte Sigurður Óli.
»Ich beschäftige über sechshundert Angestellte, deswegen kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, ob möglicherweise irgendein Herbert darunter ist. Im Augenblick fällt mir niemand ein. Wer ist dieser Mann?«
»Herbert könnte man als einen guten Bekannten der Polizei bezeichnen«, sagte Erlendur. »Ein Mann, mit dem wir uns im Laufe der Zeit das eine oder andere Mal befassen mussten, und zwar im Zusammenhang mit Drogenhandel und Prostitution. Einige halten ihn für einen Kotzbrocken, andere für einen Spinner. Weshalb ruft dieser Mann deine Nummer an?«
»Wie ich bereits gesagt habe, das muss ein Zufall gewesen sein.«
»Einfach ein komischer Zufall?«
»Zufälle sind immer komisch.«
»Was hattest du am letzten Wochenende in New York zu tun?«, warf Sigurður Óli ein.
»Ist das etwas, was euch tatsächlich angeht? Ich hatte eine Besprechung wegen einiger Bauvorhaben, die von meiner Firma und von anderen hier in Reykjavík projektiert sind. Ich kann euch die Namen der Leute nennen, die auf dieser Sitzung waren, wo sie stattfand und wann, aber ich finde dieses Gespräch vollkommen absurd, und es ist mir völlig schleierhaft, worauf ihr hinauswollt.«
»Du hast enorme Bauprojekte in Reykjavík laufen«, sagte Erlendur. »All diese neuen Wohngebiete und dann auch dieses riesige Einkaufszentrum, doppelt so groß wie die Kringla. Da bist du doch der Bauherr, nicht wahr?«
»Ich und andere. Ich weiß nicht, was das mit der Sache zu tun haben soll.«
»Und Herbert hat dich nie in New York angerufen?«
»Was fällt euch eigentlich ein, mich mit diesem Mann in Verbindung zu bringen? Drogen und Prostitution! Lasst euch ja nicht einfallen, diese alten Klatschgeschichten über mich aufzuwärmen, dass ich angeblich einer Schmugglerorganisation angehörte. Es ist schon grauenhaft, was dieser Klatsch einem antun kann und wie hilflos man ihm ausgesetzt ist. Habt ihr nicht auch gehört, dass ich beispielsweise schwul bin, mindestens zweimal einen Selbstmordversuch unternommen habe, auf kleine Mädchen stehe und nach Thailand fliege, um Boys zu vernaschen?
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