Todesrosen
später.«
»Wir haben uns beträchtliche Sorgen deinetwegen gemacht. Weshalb dieses Versteckspiel? Weshalb wolltest du nicht einfach kommen, um mit uns zu reden? Was für ein Spiel spielst du eigentlich?«
Janus schwieg. Er hatte sich nie zuvor mit einem Kriminalbeamten unterhalten.
»Wir würden gern wissen, wo wir dich einsortieren sollen. Uns liegt nichts gegen dich vor, wir wissen nur, dass du genau wie Birta aus den Westfjorden stammst und mit ihr befreundet warst. Du hast ganz sicher etwas mit dem Verschwinden von Herbert zu tun, und jetzt hast du es auf Kalmann abgesehen, und, nach dem Foto zu urteilen, auch auf andere prominente Persönlichkeiten. Einfach so, und noch dazu im Alleingang. Hat dir mal jemand die schöne Geschichte von David und Goliath erzählt?«
»Für mich ist das wie ein Unfall, in so einer Situation zu landen. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als das Ganze hinter mir zu haben. Und das wird bald der Fall sein.«
»Was gedenkst du zu tun?«
»Seid ihr bei Kalmann gewesen?«
»Der hat alles abgestritten«, antwortete Erlendur. »Er kennt keinen Herbert und keine Birta und hätte sich wohl auch selber nicht gekannt, wenn ich ihm einen Spiegel hingehalten hätte. Das Notizbuch, das du uns überlassen hast, habe ich ihm allerdings noch nicht gezeigt. Ich freu mich schon auf seine Reaktion, wenn ich das tue.«
Janus streckte seine Hand nach dem Rücksitz aus, griff nach einem Stapel Papiere und begann, darin zu blättern.
»Birta hat mir gesagt, dass Herbert sich damit gebrüstet hat, alles über Kalmann zu wissen. Herbert hätte darüber geredet, dass er irgendwelche Dokumente aufbewahrte und dass Kalmann deswegen besser nice zu Herbie sein müsste. In dem Stil redet er, nice. Ey, man. Fucking hell. Die ganze Palette.«
»Ja, ich weiß, er redet wie ein abgehalfterter Rocker aus Keflavík. Hast du uns Herbert vor der Nase weggeschnappt?«
Janus schwieg.
»Wer sonst kann dir von seinen Unterlagen erzählt haben als er selber? Die hast du doch wohl kaum per Post dorthin zugestellt bekommen, wo du dich in den letzten Tagen mit deinem geräucherten Speck aufgehalten hast.«
»Vielleicht sag ich dir irgendwann mal, wie ich an diese Sachen gekommen bin«, antwortete Janus. »Jetzt spielt nur die Tatsache eine Rolle, dass sie in meinem Besitz sind. Es geht um Drogen, den Import und den Vertrieb. Birta hat den Kurier für Herbert gemacht. Wusstet ihr das?«
»Nein, wir wissen so gut wie gar nichts über Birta. Du hast ihr helfen wollen, oder?«
»Ich habe versucht, sie davon abzubringen. Es war völlig zwecklos.«
»Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Unfassbar, dass solche Menschen nicht zur Vernunft kommen können.«
»Das Foto, das ich in dem Kasten ließ, hast du das?«
»Ja, ich habe es dabei«, antwortete Erlendur, mit belegter Stimme. Er holte das Foto, das er bislang niemandem gezeigt hatte, aus der Jackentasche. Nur er und Elínborg wussten von seiner Existenz, aber ihm war klar, dass es nicht sehr viel länger geheim zu halten war.
»Ich habe noch ein anderes, das ist fast identisch«, sagte Janus und reichte Erlendur ein Foto aus dem Stapel. Es war offensichtlich bei der gleichen Gelegenheit gemacht worden wie das Foto, das Erlendur in der Hand hielt. Es zeigte einen nackten Mann zwischen vierzig und fünfzig, der mit einem jungen Mädchen und einem Jungen im gleichen Alter im Bett lag. Der Mann schien mit den Händen am Kopfende des Betts festgebunden zu sein. Erlendur starrte auf das Bild und wurde von dem gleichen Gefühl der Ohnmacht erfasst wie vor zwei Tagen beim Hotel Borg, als Elínborg ihm das andere Foto gezeigt hatte. Er starrte auf den angebundenen Mann, den Jungen und das Mädchen. Der Junge saß rittlings auf dem Mann, das Gesicht des Mädchens war dicht bei seinem. Sie waren kaum mehr als Kinder, höchstens siebzehn. Alle drei starrten so erstaunt in die Kamera, als habe der Fotograf sie überrascht. Das Zimmer sah so aus, als befände es sich in einem Reykjavíker Hotel. Erlendur presste die Finger so stark zusammen, dass die Fingerkuppen weiß wurden. Er schüttelte den Kopf, als wolle er es nicht wahrhaben.
»Ich glaube, der Junge heißt Jóel«, sagte Janus. »Birta hat ihn gekannt. Ich weiß nicht, wer das Mädchen ist. Könnte Herbert dieses Bild benutzt haben, um den Mann zu erpressen?«
»Es hat ganz den Anschein«, antwortete Erlendur sehr langsam, matt und beinahe träge. »Trotzdem glaube ich nicht, dass Herbert ganz allein dahintersteckt.
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