Todesrosen
er, packte ihn beim Schlips und beförderte ihn auf den Bürgersteig. Dann knallte er die Tür von innen zu.
Eva Lind kam aus der Küche in den Flur. Sindri Snær, der Ausgang vom Therapiecenter hatte, folgte ihr auf den Fersen.
»Wieso machst du denn so ein Theater?«, fragte sie.
»Schnauze«, sagte Erlendur.
»Was ist denn mit dir los?«, fragte Sindri Snær.
»Du hältst auch die Schnauze. Du bist nicht viel besser. Ihr seid beide total heruntergekommen, verlotterte Blindgänger, und außer Stoff und Fusel habt ihr nichts im Kopf, verdammt nochmal!«
»Mannomann, du kümmerst dich ja momentan ganz schön intensiv um uns«, sagte Eva Lind, die sich nicht aus der Ruhe bringen ließ. »Gibt’s was Neues?«
»Was weiß denn ich«, sagte Erlendur und zog das Foto heraus, das Janus ihm gegeben hatte. »Keine Ahnung, ob das was Neues für dich ist, aber für mich ist es das!«, schrie er und schleuderte das Foto in ihre Richtung. »Das hat mir gerade noch zu meinem Glück gefehlt, verdammt nochmal!«
Eva Lind hob das Foto vom Fußboden auf und sah es sich an. Sindri Snær trat zu ihr und betrachtete es ebenfalls. Erlendur stiefelte fuchsteufelswild ins Wohnzimmer und warf sich in einen der in Plastik verpackten Chesterfield-Stühle.
»Oh Mann, bist du das?«, fragte Sindri Snær.
»Woher hast du das?«, fragte Eva Lind, die versuchte, es von ihrem Bruder wegzuhalten.
»Was machst du da eigentlich?«, fragte Sindri und griff nach dem Foto, aber sie riss es ihm weg.
»Wo hast du das Foto her?«, fragte Eva Lind nochmals und sah ihren Vater an.
»Wie alt bist du da eigentlich auf dem Foto?«, fragte Erlendur und blickte seiner Tochter wütend in die Augen.
»Neunzehn. Wem gehört das Foto?«
»Neunzehn«, schrie Erlendur. »Das ist gelogen! Du bist höchstens siebzehn. Du bist noch ein Kind.«
Eva Lind schaute ihren Bruder an, dann wieder ihren Vater. Sie ging zu ihm und setzte sich neben ihn auf die Sessellehne.
»Stammt dieses Foto von Herbert?«, fragte sie.
»Ja, es stammt aus seiner Sammlung. Und es hängt mit dem Mordfall zusammen, an dem ich gerade arbeite. Wegen dieses Fotos bin ich jetzt befangen und muss mich aus dem Fall zurückziehen. Aber das interessiert mich im Augenblick nur am Rande. Wieso bist du in so eine Situation hineingeraten, wie ist das möglich? So eine kleine Göre wie du!«
Eva Lind sah ihrem Vater lange in die Augen.
»Ich weiß es nicht«, kapitulierte sie schließlich seufzend. »Ich schwör’s, ich weiß es nicht. Und ich versuche, nicht allzu viel darüber nachzudenken. Vergangenheit ist Vergangenheit. Man soll sich nicht an die Vergangenheit klammern. Der Junge bei mir da auf dem Foto heißt Jóel, wir waren damals befreundet und haben allen möglichen Scheiß gemacht. Jóel hatte Verbindung zu Herbert, der ihm Kunden besorgt hat. Es dreht sich nämlich nicht nur um Mädchen. Jóel hat mir davon erzählt und gesagt, dass es einfach Spaß machen würde, so hat er sich ausgedrückt, einfach Spaß. Und außerdem bringt es jede Menge, sagte er. Jóel hatte nämlich immer Kohle bis zum Abwinken, ich war ewig blank. Er erzählte mir von diesem Kerl, der unheimlich gut bezahlt, und dass der ihn gefragt hat, ob er keine Freundinnen hätte. Jóel fragte mich, ob ich mal mitkommen würde. Der Typ würde ganz bestimmt doppelt so viel bezahlen, und wir würden fiftyfifty teilen.«
Eva Lind verstummte. Erlendur starrte sie an. Sindri Snær hatte sich ebenfalls gesetzt und wusste nicht, wo er hinschauen sollte.
»Ich bin nur das eine Mal mit Jóel dahin gegangen«, sagte Eva Lind und warf das Bild auf den Tisch. »Das war im Hotel Loftleiðir. Jóel und ich sind zum Haupteingang rein und haben den Aufzug in den zweiten oder dritten Stock genommen, und da wartete der Kerl in einem Zimmer auf uns. Niemand hat uns gesehen. Und Jóel hatte recht, der Typ hatte Geld satt. Aber auf einmal kam da jemand ins Zimmer reingestürmt, knipste wild drauflos, mit Blitz und allem, und war im nächsten Moment wieder verschwunden. Wir hatten keine Ahnung, wer das war, weil es dauernd geblitzt hat. Danach haben wir diesen Typ nie wieder getroffen. Der platzte vor Wut und ging auf Jóel los, aber dann habe ich mich dazwischengeworfen, und irgendwie haben wir’s geschafft, da rauszukommen.«
Schweigen herrschte im Zimmer. Alle hingen ihren Gedanken nach.
»Im Übrigen geht es dich einen Dreck an, was ich tue und treibe, Alter!«, fügte Eva Lind hinzu, die sich wieder gefangen zu haben
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