Todesrosen
zur Debatte, dass ich das Land verkaufe«, hatte der Kerl entgegnet und ihnen gesagt, dass sie sich vom Acker machen sollten. »Egal, was ihr mir bietet, ich verkaufe nicht, und jetzt verpisst euch!«
»Nennt man das vielleicht Gastfreundschaft?«, fragte Herbert und sah den Milchbart an.
Zwei Tage später ging die heruntergekommene Scheune, die zum Hof gehörte, mit dem Pferd darin in Flammen auf. Der Bauer unterzeichnete den Kaufvertrag von einem von Kalmanns Unternehmen, zog in ein Seniorenapartment in Reykjavík und redete nie über diesen Vorfall, noch nicht einmal mit seinen beiden Kindern. Die waren froh, dass er endlich den Hof los war und in einer anständigen Wohnung in der Stadt lebte; sie hatten kein Gespür für den wahren Wert von diesem Grund und Boden, sahen nicht in die Zukunft, wie Kalmann es tat. Das war vor fünfzehn Jahren gewesen. Die Stadt hatte sich inzwischen in Richtung dieser Ländereien ausgedehnt, und dort würden bald die mithin teuersten Grundstücke in Reykjavík erschlossen werden.
Wenn Druck ausgeübt werden musste, nahm Kalmann früher meist Herbert in Anspruch. Im Lauf der Zeit gelangte er aber zu der Ansicht, dass es nicht gut war, sich zusammen mit ihm blicken zu lassen oder in irgendeiner Form mit ihm in Verbindung gebracht zu werden. Herbert hatte die Fotos von einem hohen Tier in der Stadtverwaltung gemacht. Schon lange bevor der Mann diesen hohen Posten ergattern konnte, hatte Herbert ihm Mädchen beschafft, und er gehörte zu Herberts Stammkunden, bis es zu dem Vorfall kam.
Kalmann rief Herbert an und war in Schwierigkeiten. Er musste diesen Mann in der Stadtverwaltung auf seine Seite ziehen, doch dieser unterbelichtete Typ begriff einfach nicht, um was es ging. Deswegen musste also nachgeholfen und festgestellt werden, ob er nicht doch einsichtig würde. Vielleicht hätte Herbert irgendeine Idee? Und ob der eine hatte. Herbert setzte sich mit Jóel in Verbindung. Ihm war es scheißegal, mit wem diese hohen Tiere rumvögelten, ihm ging es nur ums Geld. Von dem Mädchen, das Jóel mitgenommen hatte, erfuhr er erst, als er zur Tür hereinplatzte und wild drauflos knipste.
Auf einmal lösten sich die Fesseln an den Handgelenken, und die Hände waren frei. Aus den Wunden, die Herbert sich durch das Scheuern an den Stangen zugezogen hatte, blutete es, aber Herbert verspürte keinen Schmerz. Nach kurzer Zeit hatte er auch die Füße von den Fesseln befreit und sprang hinunter auf das Gitter der Räucherlade. Es hallte im Ofen wider, als er unten auftraf. Herbert riss sich die blutige Augenbinde ab, die Janus ihm umgebunden hatte, und begann, die Tür des Ofens aufzutreten.
Fünfunddreißig
Erlendur fuhr nicht wie vereinbart zum Dezernat zurück, um Bericht über sein Treffen mit Janus zu erstatten. Ihr Gespräch im Auto hatte sich lange Zeit um Birta und Herbert gedreht und darum, in welcher Form sie für ihn gearbeitet hatte. Erlendur bekam die Unterlagen ausgehändigt, und sie verabredeten, dass Janus am nächsten Tag ins Dezernat kommen solle, damit ein ordnungsgemäßes Protokoll erstellt werden konnte. Erlendur vertraute ihm. Janus wiederum erklärte, Erlendur zu vertrauen. Nachdem sie sich verabschiedet hatten, fuhren beide wieder nach Reykjavík zurück.
Erlendur unternahm keinen Versuch, Janus zu verfolgen, als sie die Stadt erreicht hatten, sondern fuhr direkt zu seiner Tocher Eva Lind. Vor dem Haus angekommen blieb er noch eine ganze Weile nachdenklich im Auto sitzen, bevor er ausstieg. Er zerbrach sich den Kopf über diese Angelegenheit, kam aber zu keinem Ergebnis. Es gelang ihm auch nicht, sich zu beruhigen, ganz im Gegenteil. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr regte er sich auf. Gewusst hatte er es natürlich schon seit langem, aber es mit eigenen Augen zu sehen war zu viel für ihn. Der Zorn übermannte ihn.
Als er die Klingel betätigte, kam der neue Mann im Leben seiner Tochter zur Tür. Die nach hinten gekämmten Haare waren wie geleckt. Er trug ein weißes Oberhemd, und die geschmackvolle Krawatte wies einen perfekten Knoten auf. Er wusste sofort, wer Erlendur war, war aber unschlüssig, ob er den Kriminalbeamten wegen der späten Störung zusammenstauchen oder es lieber auf die sanfte Tour versuchen sollte, um später eventuell Nutzen daraus zu ziehen. Konnte ja nicht schlecht sein, so einen Typen zu kennen. Ihm blieb aber keine Zeit, eine Entscheidung zu treffen, denn Erlendur enthob ihn dieser Mühe.
»Raus mit dir, du Pfeife«, schnauzte
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