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Todesrosen

Todesrosen

Titel: Todesrosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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wollte, kam ihm ein Mann in der Schiebetür entgegen, den er nur zu gut kannte. Es war Herberts Freund, der Milchbart, der so etwas wie den Leibwächter für Herbert spielte. Er füllte beinahe den Türrahmen aus und betrat das Räucherhaus ganz gemächlich. Auf der Oberlippe war die Andeutung eines eingetrockneten Milchbarts zu erkennen.
    Janus wich langsam zurück und bewegte sich in Richtung des Hinterzimmers. Ihm fiel das Fenster dort ein, und er drehte sich blitzschnell auf dem Absatz um und rannte los. Der Milchbart kam in unverändert langsamem Tempo hinter ihm her. Janus raste in das Zimmer und stoppte so blitzartig, dass er beinahe vornübergestürzt wäre. Dort stand Herbert, der zum Fenster hereingekommen war und ihn mit dem Baseballschläger in der Hand und der Baseballkappe auf dem Kopf erwartete. Ansonsten trug er noch dieselben Sachen, die er angehabt hatte, als Janus ihn in den Ofen befördert hatte. Sein Gesicht war voller Ruß, das Haar unter der Kappe stand steif vor Dreck in alle Richtungen ab, und seine Hände waren blutig.
    »Wohin so schnell des Weges, man? « , sagte Herbert und schlug mit dem Schläger leicht gegen die Innenfläche seiner Hand. »Jetzt fängt der Spaß doch gerade erst an.« Der Milchbart stand jetzt in der Tür zum Hinterzimmer. Janus war starr vor Entsetzen.
    »Es ist vorbei«, sagte er. »Ich habe mit der Polizei gesprochen und ihnen die Papiere ausgehändigt, die ich bei dir gefunden habe. Sie wissen alles. An deiner Stelle würde ich abhauen«, fügte er in einem lahmen Versuch hinzu, Herbert Angst einzujagen. Das war hoffnungslos, Herbert zeigte keinerlei Reaktion, außer dass er Janus unverwandt anschaute und grinste.
    »Nein, die wissen noch nicht alles, man « , sagte er. »Noch nicht. Die wissen noch nicht, dass du tot bist.«

Sechsunddreißig
    Als Erlendur kurz nach Mitternacht endlich ins Büro kam, warteten Sigurður Óli, Elínborg und Þorkell immer noch auf ihn. Den Papierstapel, den Janus ihm übergeben hatte, hatte er dabei. Er gab keine Erklärung dafür ab, weshalb er so spät kam, sondern begann sofort damit, sie in groben Zügen darüber zu informieren, was Janus in diesen Papieren entdeckt hatte. Er teilte ihnen auch mit, dass er sich aus persönlichen Gründen, die er dem Polizeipräsidenten gegenüber darlegen würde, aus dem Fall zurückziehen müsse.
    »Was soll denn der Blödsinn?«, sagte Sigurður Óli. »Du musst dich zurückziehen? Was ist denn los?«
    »Ich werde das später erklären«, sagte Erlendur, »lassen wir es im Augenblick dabei bewenden.«
    »Du kannst doch nicht plötzlich mittendrin aufhören«, sagte Sigurður Óli und sprach unwillkürlich lauter. »Was soll denn dieser Quatsch eigentlich?«
    Elínborg saß schweigend daneben und hörte zu. Als Erlendur merkte, dass Sigurður Óli nicht lockerlassen würde, fragte er, ob er ihn nach Hause bringen könnte. Morgen würden sie dann sehen, wie es weiterginge. Alle standen auf und sahen verständnislos zu, wie Erlendur sich den Hut aufsetzte und das Zimmer verließ. Sigurður Óli folgte ihm zum Auto, und sie fuhren los. Es dauerte eine ganze Weile, bis Erlendur das Schweigen brach.
    »Du kennst meine Tochter, Eva Lind. Du weißt, in was für einem schlimmen Zustand sie ist. Mir ist seit geraumer Zeit bekannt, dass sie sogar nicht davor zurückschreckt, auf den Strich zu gehen, um an Geld für Stoff heranzukommen. Ich mache erst gar nicht den Versuch, dir zu beschreiben, wie ich darunter leide beziehungsweise gelitten habe. Ich habe mich zwar darum bemüht, sie davon abzubringen, aber ich habe kaum Einfluss auf sie, wahrscheinlich, weil ich zu spät in ihrem Leben aufgetaucht bin. Dasselbe gilt für Sindri Snær.«
    Sigurður Óli fuhr schweigend weiter, denn er war sich nicht sicher, worauf Erlendur hinauswollte. Genau wie die anderen im Dezernat wusste er, dass Erlendurs Tochter drogenabhängig war. Mehr als einmal war sie bei Razzien festgenommen worden. Erlendur hatte nie um eine Sonderbehandlung für sie gebeten. Soviel Sigurður Óli wusste, war Eva Linds Situation auch nie im Kollegenkreis zur Sprache gekommen. Erlendur selbst redete nie über seine Tochter, genauso wenig wie über seinen Sohn, seine frühere Ehe oder überhaupt sein Privatleben. Niemals schnitt er diese Themen an. Er hatte schon früher hin und wieder in unbedeutenderen Fällen Evas Hilfe in Anspruch genommen, wenn jemand, von dem sie gehört hatte oder den sie sogar persönlich kannte, unter dem Verdacht

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