Todesrosen
schien.
»Nein, man darf sich auf keinen Fall bei euch einmischen, wenn’s um Suff und Drogen geht. Himmel, Arsch und Zwirn, reißt euch doch endlich mal am Riemen, und hievt euch aus dieser Scheiße hoch, vor allem du«, sagte er, indem er auf Eva Lind deutete, »versucht doch mal, was aus eurem Leben zu machen, ihr armseligen Versager.«
Wieder langes Schweigen.
»Du kennst also diesen beschissenen Typen?«, fragte Erlendur endlich.
»Der ist wohl eine wichtige Nummer?«, fragte Eva Lind zurück. »Ich hab ihn nur dieses eine Mal getroffen, danach nie wieder.«
»Wann war das?«
»Vor ungefähr vier oder fünf Jahren. Okay, ich war siebzehn.«
»Hat Herbert die Treffen mit diesem Mann arrangiert?«
»Das hat Jóel gesagt.«
»Wo steckt dieser Jóel jetzt?«
»Lange nicht gesehen. Ich hab gehört, dass er eine Zeit lang im Knast war, aber ich hab keinen Schimmer, weswegen. Der hat immer aufgepasst, dass er sich nicht strafbar gemacht hat.«
»Und wie lief das damals ab?«
»Herbert hat sich mit Jóel in Verbindung gesetzt, wenn irgendwas abging, und Jóel war immer für alles zu haben. Mit Jungs oder mit Mädchen. Er ist bi. Weißt du, was das bedeutet?«
»Und?«
»Und nichts. Wir sind zu dem Kerl hin, und der hat gut gelöhnt, und zwar im Voraus.«
»Dieses verdammte Schwein«, stieß Erlendur hervor. »Was für ein ekelhafter Widerling! Nicht zu fassen, wie solche Kerle es zu etwas bringen.«
»Sind es nicht immer genau solche Typen, die es zu was bringen?«
»Hat Herbert noch mehr solche Treffen für dich arrangiert?«
»Nein, nie«, erklärte Eva, klang aber nicht sehr überzeugend. Erlendur wusste ganz genau, wenn jemand versuchte, ihn anzulügen. Er ging aber nicht darauf ein. Sein Zorn und seine Wut begannen abzuklingen. Wie Eva Lind ihr Leben gestaltete, war zwar nicht neu für ihn, aber ihm war dies nie zuvor so direkt vor Augen geführt worden. Er hoffte nur, dass ihm so etwas nicht noch einmal widerfahren würde.
»Du hast doch nicht etwa auch mit diesem Kalmann geschlafen?«
»Pliiis, jetzt hör doch auf mit deinen Zwangsvorstellungen«, stöhnte Eva Lind.
»Ich muss das da Sigurður Óli übergeben und mich aus dem Fall zurückziehen, so viel steht fest.«
»Kannst du das Foto nicht einfach verschwinden lassen?«, schlug Sindri Snær vor. »Muss unbedingt jemand davon wissen?«
»Ich habe noch nie Beweismaterial vernichtet.«
»Irgendwann muss man ja mit allem anfangen«, sagte Eva Lind.
»Reicht es nicht, wenn ihr beide das als Lebensmotto habt!«, stieß Erlendur hervor.
»Dir ist nicht der Gedanke gekommen, dass diese Typen, hinter denen du her bist, genau das bezwecken?«
»Das verdammte Bild ist nicht auf diesem Weg in meine Hände gekommen«, sagte Erlendur. »So etwas raffiniert Eingefädeltes würde ich Herbert nie zutrauen, so viel Weitblick hat der nicht.«
»Aber Kalmann? Habt ihr den abgecheckt?«
»Halt dich aus dieser Ermittlung raus. Das geht dich überhaupt nichts an.«
»Ja, genau. Soviel ich weiß, habe ich euch aber ganz schön weitergeholfen.«
»Oh ja«, sagte Erlendur leise. »Viel zu sehr. Was für eine reizende Situation. Wie soll man mit euch beiden am Hals bloß seinem Beruf ordentlich nachgehen? Ich halt das nicht aus, ich halt das einfach nicht aus«, stöhnte er.
»Wärst du seinerzeit nicht so geil gewesen, Alter, säßen wir gar nicht hier.«
»Ich fürchte, dasselbe gilt für dich, Mädchen«, entgegnete Erlendur.
Als Janus wieder in das ehemalige Räucherhaus des Schlachthofs zurückkehrte, war Herbert verschwunden. Die große Schiebetür, die ins Haus führte, stand sperrangelweit auf. Anscheinend hatte er die Tür zum Räucherofen aufgetreten. An dem Gestänge im Räucherofen fand Janus ein Stück von dem Strick, mit dem er ihn gefesselt hatte. Er war den größten Teil des Tages weggewesen und konnte deshalb nicht einschätzen, wie lange es her war, seit Herbert freigekommen war, und genauso wenig, was es für ihn selbst bedeutete, dass der Mann frei herumlief, den er so gedemütigt hatte. Erst nach geraumer Zeit wurde ihm klar, dass es wohl nicht ratsam war, noch länger im Räucherhaus zu bleiben. Er schickte sich an, das Haus zu verlassen, und wollte zu Fuß zur Wohnung seiner Mutter gehen, um dort die Nacht zu verbringen und sich am nächsten Morgen mit Erlendur im Dezernat zu treffen.
Aber es war zu spät. Er hatte zu lange gebraucht, um sich der Gefahr bewusst zu werden, in der er schwebte. Als er aus dem Haus gehen
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