TODESSAAT
hassenswerten Volse Pinescu herauszureißen?
Die Antwort war ein verdutztes Keuchen im Geist des Vampirs: Hah! Shaithis! Ihr habt die Todesstrahlen im Garten des Herrn also überlebt?
Arkis Leprasohn! Nun erkannte Shaithis ihn sofort. Erleichtert stieß er die Luft aus, blieb jedoch weiter auf der Hut, während sein Atem sich beruhigte; dann näherte er sich dem Ausgang seines Hortes – und spannte die Muskeln, beugte und streckte die Glieder, atmete tief ein und betastete seine Rippen. Alles schien in Ordnung. Pah! Kein Wunder bei diesen geringfügigen Blutergüssen und Kratzern! Solcherlei wiederherzustellen bedeutete einen minimalen Aufwand; keinesfalls war sein Vampir-Fleisch hiervon überfordert. Ein paar Schmerzen hier, ein blauer Fleck da – mehr war nicht geblieben.
Arkis stand nahebei, am Fuß der Wendeltreppe aus Eis. Für einen Wamphyri-Lord war er eigentlich viel zu gedrungen – er maß kaum mehr als einen Meter achtzig, doch, ah, dafür war er auch gut und gerne neunzig Zentimeter breit! Eine Tonne von einem Mann, und seine Körperkraft grenzte ans Wunderbare. Nun jedoch wollte es scheinen, als habe er ein wenig an Gewicht verloren. Shaithis schritt auf ihn zu, verringerte die zwischen ihnen liegende Distanz mit dem beiläufigen, geschmeidigen Gleiten des Vampirs. Auf normale Menschen wirkte dies unheilvoll, doch nach Wamphyri-Maßstäben war es nur selbstverständlich. Im nächsten Moment standen sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
»Und?«, fragte Shaithis. »Kommt Ihr in Frieden? Oder seid auch Ihr zu hungrig, um noch geradeaus denken zu können? Ich gestehe frank und frei: Ich könnte einen Freund gebrauchen. Und bei Eurem Anblick ... huh! Der Sachverhalt ist für uns beide derselbe. Die Wahl liegt bei Euch, doch ich weiß, wo Nahrung zu finden ist!«
Die gänzlich instinktive Reaktion des anderen bestand aus einem einzigen Wort, das er hervorpresste: »Nahrung?« Seine Augen weiteten sich, und seine zuckende, geknäuelte Schnauze stieß mit Eiskristallen geschwängerten Atem aus.
Es war deutlich zu sehen: Arkis war am Verhungern. Shaithis bedachte ihn mit einem grimmigen Schmunzeln, nahm aus seiner Tasche das letzte Stück kaltes Bärenherz, schlang die Hälfte davon mit einem einzigen Bissen hinunter und warf den Rest dem Sohn des Aussätzigen zu – der ihn mit einem nahezu schmerzlichen Aufschrei auffing und ohne Zögern ins Maul stopfte.
Arkis stammte von Morgis Gramschrei ab; ein verwahrlostes Traveller-Mädchen hatte ihn geboren ... ein verwahrlostes, von Lepra befallenes Traveller-Mädchen. Als Erstes hatte Morgis sich das Glied infiziert (danach hatten sich seine Lippen, Augen und Ohren nebst anderen Körperteilen abgelöst). Die Krankheit hatte wie ein Feuer in ihm gewütet, und zwar viel schneller, als sein Vampir das verrottende Fleisch zu ersetzen vermochte. Irgendwann hatte Morgis seine Traveller-Odaliske an die eine Hand und einen brennenden Holzscheit in die andere genommen – und sich unter kreischenden Schreien voller Gram, die seinem Namen alle Ehre machten, in eine Jauchegrube gestürzt. Die gewaltige Ansammlung von Methangas hatte den Rest erledigt. Damit war die Zeit des Leidens mit einem Paukenschlag beendet. Morgis’ Selbstmord hatte den jungen Arkis zum Lord und Erben eines feinen Horstes gemacht. Das Beste aber war: Arkis litt nicht an der entsetzlichen Krankheit seines Vorfahren! Zumindest noch nicht. Vielleicht würde sie niemals zum Ausbruch kommen. All das lag zahlreiche Sonnunter zurück.
Während Arkis das Bärenherz verschlang, musterte Shaithis ihn.
Von gedrungener Statur, sah sein Schädel kaum besser aus – als sei er von gewaltigen Kräften gequetscht worden. Sein Antlitz wirkte wie zurechtgeknetet, vor allem der Unterkiefer mit seinen Wildschweinhauern, die sich weit über die fleischige Oberlippe hinaufwölbten. Dennoch hatte seine gesamte Erscheinung weniger etwas von einem Borstenvieh an sich als vielmehr etwas Wölfisches, insbesondere wohl wegen der übermäßig langen, pelzbedeckten, spitz zulaufenden Ohren. Irgendwo in seinem Geschlecht hatte es gewiss einmal einen Grauen gegeben!
Mit von der Lust des Fressens noch lodernden, zusammengekniffenen Augen hob er den Blick, um Shaithis anzusehen. Nachdem er auch den letzten Bissen verschlungen hatte, grunzte er: »Ich gebe Euch recht. Es war nur ein Bissen. Doch war das die Nahrung, die Ihr versprochen habt?«
»Gar nichts habe ich versprochen«, entgegnete Shaithis. »Ich habe eine
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