TODESSAAT
Tatsache vorgebracht. Ich weiß, wo Nahrung zu finden ist, tonnenweise.«
»Ah!«, grollte der andere – und neigte den Schädel zur Seite. »Volses Flügler, meint Ihr wohl? Aber den bewachen sie gut, Volse und der Ferenc. Es ist eine Mausefalle, Shaithis; nähert Euch ihrer ganz persönlichen Vorratskammer nur weit genug, und Ihr werdet darin enden! Hier draußen zählt keine Ritterlichkeit, mein Freund. Kaltes, kristallisiertes Fleisch kann niemals so wohlschmeckend sein wie roter Saft, der aus zerfetzten Adern spritzt! Ein Bettler kann es sich allerdings nicht leisten, wählerisch zu sein. Ich habe es versucht und versagt; sie sind nie allzu weit entfernt; ich weiß, dass sie bereits nach meinem Blut gieren.«
»Ist es mit Euch denn schon so weit gekommen,« – Shaithis hob eine schwarze, borstige Augenbraue – »dass Ihr wie Aasfresser einer den anderen jagt?« Natürlich wusste er, dass ebendies ihrer Natur entsprach und diese wohl bald genug auch bei ihm durchbrechen würde. Die ›Ritterlichkeit‹ der Wahmphyri war bestenfalls ein Mythos. Doch so oder so, seine Beleidigung – indem er das Wort ›Aasfresser‹ gebrauchte – war bei Arkis Leprasohn vergeudet.
»Shaithis«, sprach der andere, »ich bin seit vier, nahezu fünf Sonnuntern an diesen Ort gekettet; fünf Mal habe ich die Aurora sich offenbaren sehen, und das war gewiss viermal zu oft für meinen Geschmack. So weit gesunken, dass einer den anderen hetzt? Lasst Euch gesagt sein, dass ich, sobald ich etwas sehe, was sich bewegt, es auch jagen werde! Am Anfang hatte ich eine Hand voll Fledermäuse – ich habe sie zu Brei zerdrückt, sodass sie mir Tropfen für Tropfen in den Mund sanken ... und noch den Brei habe ich verschlungen. Aber jetzt kommen sie mir nicht mehr nahe. Sie haben Verstand, diese winzigen Albinos. Gerade war ich wieder unterwegs und habe den runzligen alten Großvater tiefgefroren im Eis dort oben in der Spitze dieser Burg gesehen. Ich hätte versucht, an ihn heranzukommen ... Man muss nur verzweifelt genug sein, und fürwahr, das bin ich längst! Redet mir nicht vom Herabsinken auf dies oder jenes. Wir sind es längst allesamt, Shaithis, und Ihr nicht weniger als jeder andere auch!«
So hatte Shaithis’ Beleidigung ihn letzten Endes wohl doch noch getroffen. Shaithis war einigermaßen überrascht. Der Sohn des Aussätzigen hatte auf ihn stets wie ein Dummkopf gewirkt. Vielleicht hatte die Kälte seine geistigen Fähigkeiten geschärft.
»Arkis«, sagte Shaithis, »wir sind nun zu zweit, und wir haben ein Mahl miteinander geteilt. Das ist gut so, will mir scheinen, denn gemeinsam wird es uns besser ergehen. Ihr seid schon lange hier, also habt Ihr vieles erfahren und gelernt. Ihr kennt eine Menge Fallstricke. Solcherlei Wissen hat seinen Wert. Desgleichen werden der abscheuliche Volse Pinescu und der gigantische Fess Ferenc es sich zweimal überlegen, bevor sie etwas gegen uns beide unternehmen. Was meint Ihr, wollen wir diesem hallenden, eisigen Schneckenhaus den Rücken wenden und uns ein Frühstück suchen?«
Der Sohn des Aussätzigen machte seiner Ungeduld mit einem Seufzen Luft, was Shaithis ein wenig erzürnte: Er war es nicht gewohnt, mit dumpfen Kreaturen, die sich als seinesgleichen aufspielten, nachsichtig umzugehen. »Nun, lasst mich noch einmal zusammenfassen«, grunzte Arkis. »Sie bewachen Volses Geflügelten, und sie bewachen ihn gut! Zudem sind ihre Bäuche, im Gegensatz zu den unseren, wohl gefüllt. Und wie Ihr selbst soeben erwähnt habt: Der Ferenc ist ein verdammter Riese!«
Shaithis blähte die Nüstern, und für einen Moment spielte er wahrhaftig mit dem Gedanken, diesen Dummkopf sich selbst zu überlassen. Nur – letztlich würde das darauf hinauslaufen, ihn der heiklen Gnade der anderen zu überlassen. Und Shaithis beanspruchte Arkis längst für sich. Doch dies waren Gedanken, die er einwärts lenkte, damit Arkis sie nicht wahrnahm. »Und?«, erkundigte er sich wie beiläufig. »Können sie zwei Bestien zugleich bewachen? Und glaubt Ihr wirklich, ich sei zu Fuß hierher spaziert, Arkis Schrecktod?« (Der andere Name des Idioten.)
Arkis erstarrte. »Eh? Ein weiterer Flügler? Ich habe keinen gesehen. Aber, nun gut, ich wagte mich auch nicht zu weit hinaus ins Eis, damit sie mich nicht erspähen! Wo ist er denn, dieser Flügler?«
»Wohin ich ihn geschickt habe«, antwortete Shaithis. »Immer noch gut beieinander und frisch und – wartet einen Moment ...« Er sandte einen an die Bestie
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