Todesschach
Hand.
»Dann brauchen Sie mir nicht zu sagen, warum Sie hier sind, ich kann es mir denken. Grödig! Seien Sie mir nicht böse, aber ich halte nichts von ihm, obwohl er die Auflösung der Kolonie auf Io versprochen hat, falls er an die Macht kommt. Wissen Sie auch, was er dann tun würde?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Die Antwort liegt in der Gegenfrage: Was, glauben Sie, macht er mit seinen Gegnern? Wird er sie frei herumlaufen lassen?«
Sie hatte keine Lust, sich weiter über ein Thema zu unterhalten, das ihr unangenehm war. Es gab Gründe für sie, Grödig zu unterstützen, aber es hatte wenig Sinn, sie Aleks jetzt auseinanderzusetzen. Er mußte sie so akzeptieren, wie sie war, oder sie suchte sich auf Io einen anderen Beschützer.
»Ich habe nie darüber nachgedacht, Aleks. Aber vielleicht haben Sie recht. Erzählen Sie mir von sich.«
Er lächelte, und es war ein gutes, vertrauenerweckendes Lächeln.
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich arbeitete für die Regierung. Neue Forschung. Eines Tages ging etwas schief, und man brauchte einen Sündenbock. Niemand konnte den Chef belasten, ohne selbst in Teufels Küche zu kommen. Also schob man mir die Schuld zu. Ja, und nun bin ich auf dem Weg nach Io. So einfach ist das.«
Sie glaubte ihm jedes Wort. Aleks sah nicht aus wie ein Mann, der log.
Nebenan tastete ein brutal aussehender Kerl eine junge Frau ab. Er tat es ungeniert und voller Gier. Nur das Gitter verhinderte weitere Intimitäten. Mira schauderte zusammen und griff nach Aleks’ Hand.
»Auf Io wird es keine Gitter mehr geben – werden Sie dann bei mir sein, Aleks?«
Er gab den Händedruck zurück.
»Wenn Sie es wünschen, Mira, werde ich bei Ihnen sein. Und Sie brauchen sich niemals zu fürchten. Niemals. Ich … ich mache mir nichts aus Frauen, verstehen Sie? Aber ich habe nichts gegen sie. Nein, nicht so, wie Sie denken. Ich hatte einen Unfall, schon vor vielen Jahren. Und seitdem …«
Mira verstand. Sie streichelte seine Hand, zärtlich und sanft.
»Ich verstehe, Sie brauchen nichts mehr zu sagen. Aber ich hatte schon Vertrauen zu Ihnen, als ich es noch nicht wußte. Ich möchte, daß Sie bei mir bleiben auf Io, sofern es erlaubt ist. Aber wenn ich daran denke, man könnte uns trennen und so ein Mann wie der da …«, sie schielte mit den Augen zum Nachbarpaar, »… könnte mich zu sich nehmen …!«
»Das geschieht nicht. Ich kenne die Gesetze der Strafkolonie. Die Männer haben zwar das Vorrecht der Auswahl, aber es ist streng verboten, einem anderen Mann die Frau wegzunehmen. Es gibt Frauen genug auf Io. Wenn Sie zu mir gehören, wird Ihnen nichts geschehen.«
*
Sie hatten keinen Grund, sich auf Io zu freuen.
Niemand hatte Grund dazu.
Die Transportrakete landete mit einem harten Ruck, denn auf Io gab es keine automatische Landeeinrichtung. Mira spürte, wie sich die Anschnallriemen bis zum Zerreißen spannten und ins Fleisch schnitten. Sie blieb ruhig liegen, bis das Brummen des Antriebs erstarb.
Sie schnallten sich los, einer nach dem anderen. Aleks kam ans Gitter.
»Gut überstanden, Mira?« Er atmete erleichtert auf, als sie aufstand. »Keine Schmerzen?«
»Alles in Ordnung, Aleks. Mehr Sorge bereitet mir das, was nun kommen wird.«
»Routine, Mira. Keine Sorge, auch hier gelten die Gesetze.
Sicher, es ist hart, für immer von der Erde verbannt zu sein. Aber wir müssen versuchen, damit fertig zu werden. Die Wärter sind auch nur Menschen.«
»Eben«, sagte Mira ohne viel Hoffnung. Sie schien nicht viel von den Menschen zu halten. »Das bereitet mir Sorgen. Wir wissen noch nicht, was sie mit uns tun werden. Vielleicht werden wir getrennt.« Sie zögerte, dann fuhr sie tapfer fort: »Das Gesetz der Abwechslung gilt auch hier. Wir sind neu. Manche Männer lieben das Neue.«
Er verstand und nahm ihre Hand.
»Es wäre gegen die Gesetze, die auch hier gelten – ich sagte es Ihnen bereits. Außerdem erfuhr ich durch meinen Rechtsanwalt alles über Io. Sicher, man schickt uns nicht zum Vergnügen her, aber man will uns auch nicht umbringen. Alle Gerüchte in dieser Richtung sind unsinnig. Man will uns loswerden, das ist alles, aber man will uns nicht töten. Niemand wird Sie von mir trennen.«
»Danke«, flüsterte Mira und begann, Aleks gern zu haben.
Aber sie würde immer nur Thorn lieben können.
Die uniformierten Beamten des Transportbegleitkommandos kamen in den abgeteilten Raum und verlasen die Namen. Einzeln verließen die Deportierten ihre Zellen und
Weitere Kostenlose Bücher