Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
Abend zur Yacht geschickt, um Kleider einzupacken. Sie selbst wollte am nächsten Morgen hin, um den Safe auszuräumen.«
Dóra machte eine kleine Pause, damit das Ehepaar ihr folgen konnte, und sprach dann weiter:
»Über den weiteren Ablauf sind sich Snævar und Karítas uneinig. Sie sagt, sie sei an dem Abend zufällig bei der Yacht vorbeigekommen, hätte den Schlüssel im Schloss stecken sehen, aber ihre Assistentin sei weg gewesen, hätte wahrscheinlich den Safe leergeräumt und das Zahlenschloss verstellt. Snævar behauptet hingegen, Karítas hätte Aldís dabei überrascht, wie sie die Kleider anprobiert hätte, die sie eigentlich einpacken sollte. Als es ihr dann zu allem Überfluss nicht gelang, den Safe zu öffnen, hätte sie das Mädchen aus Wut gestoßen – wahrscheinlich unabsichtlich –, und Aldís sei mit dem Kopf gegen die scharfe Marmorplatte im Bad geknallt.«
»Und wer sagt Ihrer Meinung nach die Wahrheit?«, warf Ægirs Vater ungerührt ein.
»Ich glaube, Snævar sagt die Wahrheit. Die Polizei wartet noch auf die Ergebnisse der Untersuchung der Marmorplatte. Bis dahin müssen wir uns mit den Aussagen der beiden begnügen, und Snævars Version passt zu der Meldung des Kapitäns über eine tote Frau an Bord. Karítas’ Version ist hingegen ziemlich löchrig, sie kann beispielsweise nicht erklären, weshalb sie unter Aldís’ Namen aus Lissabon weggeflogen ist. Die Polizei glaubt, sie wollte es so aussehen lassen, als hätte das Mädchen die Stadt verlassen, um dadurch die Geschichte, Aldís hätte den Safe leergeräumt, zu bekräftigen.«
Vor dem Fenster kam die Postbotin heranspaziert. Sie zog eine halbleere, rote Tasche hinter sich her, hielt ein paar Briefe in der Hand, warf einen schnellen Blick darauf und ging dann weiter, am Haus von Ægirs Eltern vorbei. Vielleicht hatte sie den Briefkasten gesehen, der immer noch genauso vollgestopft war wie bei Dóras letztem Besuch.
»Nach Snævars Version ist Karítas durchgedreht und hat seinen Kumpel Halldór um Hilfe gebeten. Sie hätte ihm eine gute Bezahlung versprochen, wenn er die Leiche über Bord werfen würde, sobald die Yacht auf dem offenen Meer wäre.«
Die Gesichter der Eheleute zeugten von Ekel und Ungläubigkeit, und auf Margeirs Stirn bildeten sich so viele Falten, dass sie wie gestreift aussah. Seine Augen sahen Dóra flehend an, als sei es sein größter Wunsch, dass sie aufhörte zu reden. Dóra versuchte, sich davon nicht beeinflussen zu lassen, und fuhr fort:
»Halldór hat sich geweigert mitzumachen, wollte die Sache aber auch nicht der Polizei melden. Er hat geglaubt, dass es ein Unfall war, und sich von ihrer Aussage verunsichern lassen, er sei auf gewisse Weise mitschuldig, weil er ihr die Schlüssel gegeben hätte. Aber das hat noch nicht gereicht, um ihn zum Mitmachen zu überreden, und wahrscheinlich wäre alles anders gelaufen, wenn er die Sache für sich behalten hätte. Aber das hat er nicht gemacht. Als er am selben Abend mit seinem Kumpel Snævar in der Kneipe saß, erzählte er ihm von Karítas’ Vorschlag.«
Dóra musste eine kleine Pause machen. Die Eheleute wirkten mit jedem Wort verwirrter, und sie war sich nicht sicher, ob sie ihr folgen konnten.
»Bitte sagen Sie mir, wenn Sie etwas nicht verstehen, dann versuche ich, es genauer zu erklären.«
»Ich verstehe das, was Sie sagen«, sagte Sigríður und zog ihre Strickjacke fester zu, als sei ihr kalt. Die Jacke war abgetragen und an den Nähten ausgefranst, und Dóra wünschte sich, sie hätte sich nicht angezogen wie im Gerichtssaal. »Ich verstehe nur diese Leute nicht. Was sind das eigentlich für Menschen?«
»Sehr kranke, jeder auf seine Weise«, sagte Dóra und leckte sich über die trockenen Lippen. Sie hätte ein Glas Wasser gebraucht, wollte ihren Gastgebern aber nicht noch mehr Umstände bereiten. Sie hatten schon genug mit sich selbst zu tun.
»Jedenfalls war Snævar ganz aufgeregt und hat versucht, Halldór zu überreden. Der Betrag, den Karítas als Belohnung in Aussicht gestellt hatte, war hoch, und Snævar wollte, dass sie ihn zwischen sich aufteilten. Karítas hatte Halldór allerdings nicht erzählt, dass das Geld noch in einem Safe eingeschlossen war, der nicht aufging, und es daher unklar war, ob sie überhaupt etwas bezahlen könnte. Snævar glaubte jedenfalls, man könne ihr trauen, und es endete damit, dass er Halldór sagte, dann würde er es eben alleine machen und das ganze Geld nehmen. Halldór reagierte abweisend,
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