Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
werden Sie es nicht vermeiden können, in den Nachrichten davon zu hören. Sie können es nicht ignorieren«, erwiderte Dóra.
Sie hatte bereits beschlossen, diverse Details auszulassen, zum Beispiel, dass Snævar Halldórs Beine abgetrennt hatte, weil er die Leiche an Land treiben lassen wollte und niemand daran zweifeln sollte, dass er über Bord gegangen und ertrunken war. Da bei angespülten Leichen oft Gliedmaßen fehlten und er verhindern wollte, dass man das gebrochene Bein entdeckte, hielt er das für am wenigsten verdächtig. Er allein wusste, warum er beide Beine abgetrennt hatte und nicht nur eins. Vielleicht hielt er das für realistischer. Mit der Kunststoffstütze und dem Gips präparierte er dann sein eigenes Bein.
Dóra erzählte auch nicht, wie Snævar zunächst versucht hatte, Halldórs Leiche in seiner Kabine zu verstecken. Als sie immer stärker roch, versuchte er, den Gestank mit Parfüm zu überdecken, das er aus Láras und Ægirs Kabine klaute. Als das nicht mehr reichte, um den Gestank zu vertreiben, musste er einen neuen Platz finden. Am Ende stopfte er die Leiche in eine Kühltruhe in einer Abstellkammer hinter dem Maschinenraum. Dort lag sie, bis er sie in eine Plane wickelte und außen ans Schiff hängte, damit sie ertrunken und nicht erfroren aussah, wenn er sie später ins Meer werfen würde. Vorher trennte er die Beine mit einer Axt aus dem Steuerhaus ab und steckte seine eigenen Schuhe darauf, falls sie in einem Fischernetz landen oder ebenfalls an Land gespült würden. Dann würden die Überlebenden der Reise sie als Halldórs Beine identifizieren. Snævar musste den Hauptmotor ausschalten, um die Leiche an die Yacht zu hängen, weil sich die Luke nicht öffnen ließ, wenn der Motor in Gang war. Das bestätigte der Fahrtenschreiber. Zu diesem Zeitpunkt war die Yacht nur noch eine Tagesetappe von Reykjavík entfernt.
Gegen Ende machte Snævar jedoch einen fatalen Fehler. Nachdem er Halldórs Leiche durch die Luke an die Yacht gehängt hatte, schloss er die Kammer ab, weil er dachte, Ægir könne versuchen, mit den Mädchen auf einem Aqua-Scooter zu fliehen. Als er wieder raufging, um Hallis Beine zu entsorgen, stieß er auf Ægir, tötete ihn und verlor dabei den Schlüssel. Als er es merkte, war er schon so nah an der Küste, dass er keine Zeit mehr hatte, ihn zu suchen. Deshalb wurde er Hallis Leiche nicht los.
Später wurde er wegen der Berichterstattung über die Untersuchung von DNA-Spuren immer nervöser. Er wollte die Leiche entsorgen, als er mit Karítas auf das Schiff ging, aber sie wurden von einem Hafenwächter gestört und mussten fliehen. Als er die Möglichkeit bekam, mit Dóra noch einmal an Bord zu gehen, tat er so, als stieße er zufällig auf Halldórs Leiche, und hoffte, dadurch erklären zu können, warum man seine DNA-Spuren daran finden würde. Aufgrund des Zustands der Leiche musste er noch nicht mal das Erbrechen erzwingen – es kam von selbst. Und zuerst hatte ja auch alles funktioniert.
»Ich will den Rest hören«, sagte Sigríður. Sie reckte tapfer das Kinn, aber ihre feuchten Augen sagten etwas anderes. »Sprechen Sie weiter.«
»Wie es weiterging, ist leider ziemlich unklar. Snævar behauptet steif und fest, dass er mit den anderen Todesfällen nichts zu tun hat, während Karítas versichert, er hätte ihr die ganze Geschichte nach seiner Heimkehr bei einem langen Telefonat erzählt. Der Telefonanbieter bestätigt dieses Gespräch. Karítas sagt, Snævar hätte Loftur getötet, als der ihn verdächtigte, Aldís’ Leiche aus der Kühltruhe über Bord geworfen zu haben. Loftur sei direkt klar gewesen, dass nur zwei Leute in Frage kämen, er selbst und Snævar, beziehungsweise Halli, für den er sich ausgab. Loftur hätte ihm das an den Kopf geknallt, woraufhin Snævar ihn im Whirlpool ertränkt hätte. Anschließend hätte er versucht, eine Geschichte über einen geheimnisvollen blinden Passagier in Umlauf zu bringen, aber die Situation sei eskaliert, und als er immer mehr in die Ecke gedrängt wurde, hätte er auch die anderen getötet. Þráinn, den Kapitän, hätte er im Schlaf überwältigt.«
»Wie hat er …?« Margeir musste den Satz nicht beenden. Dóra wusste genau, worauf er hinauswollte.
»Laut Karítas starb Lára an einem unabsichtlich ausgelösten Schuss. Wir wissen nicht, ob das eine weitere Lüge ist, denn die Pistole, die an Bord war, ist verschwunden. Snævar hat Karítas erzählt, Ægir hätte die Waffe ins Wasser geworfen,
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