Todesschlaf - Thriller
Ehefrau.
Van Adder runzelte lediglich die Stirn. »Ich dachte, Sie glauben nicht, dass Ihre Freundin ihn umgebracht hat?«
»Hat sie auch nicht«, stellte Timmie klar. »Aber jemand anders schon.«
Van Adder ließ die Zeitung in den Schoß sinken. »Niemand anders. Victor hatte zu viel getrunken und ist nicht mehr rechtzeitig weggekommen. Das ist meine Meinung, und die Polizei hat es nicht geschafft, mich vom Gegenteil zu überzeugen.«
»Sie haben vollkommen Recht«, sagte Timmie mit einem sanften Lächeln, das jeder, der einmal mit ihr zusammengearbeitet hatte, sofort erkannt hätte. »Er war zu betrunken, um noch irgendetwas zu bemerken. Aber genau da liegt ja das Problem. Wenn er gekonnt hätte, dann hätte er nämlich etwas bemerkt. Dieses Feuer war kein Unfall.«
»Wie viele Fälle von Brandstiftung haben Sie bisher untersucht, Ms. Leary?«, wollte er wissen.
Timmie richtete sich kerzengerade auf. Sie war sich vollkommen im Klaren darüber, dass es Zeugen gab. Doch das spielte keine Rolle. Inkompetenz dufte nicht unkommentiert bleiben.
»Wie viele haben Sie denn bisher untersucht, Mr. Van Adder?«
Van Adder stellte Zeitung und Kaffeetasse beiseite und kam auf die Füße. »Wenn Sie nicht Joes Tochter wären«, sagte er drohend, »dann würde ich Sie schlicht und einfach übers Knie legen. Sie haben ein paar Kurse in Ihrer Pflegeschule belegt und wollen mir erzählen, wie ich meine Arbeit machen soll? Passen Sie mal gut auf, kleines Mädchen: Ich mache das seit dreißig Jahren. Ich brauche keine forensische Krankenschwester , die mir erklärt, wie das geht.«
»Vielleicht ja doch.«
Jetzt war Angie an der Reihe. »Sie sollten besser vorsichtig sein«, sagte sie warnend. Auch sie war aufgestanden. »Sie sind immer noch in der Probezeit.«
Van Adder brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Tatsächlich?«, sagte er angriffslustig lächelnd zu Timmie. »Sie wollen uns allen also erklären, wie wir unsere Arbeit machen sollen, ja? Sie wollen mir zeigen, wie es geht? Was, zum Teufel, kann eine forensische Krankenschwester schon machen?«
Jetzt war Timmie diejenige, die lächelte. »Sie kann sich um den Posten des Leichenbeschauers bewerben«, sagte sie und ging hinaus.
Böse Krankenschwester. Böse, böse Krankenschwester.
Während des gesamten Fußmarsches hinüber nach Restcrest schimpfte Timmie sich selbst eine dämliche Idiotin. Sie hatte sich wahrscheinlich soeben um ihren Job gebracht. Um jede Chance auf einen Job. Aber sie konnte einfach nicht zulassen, dass dieses schmierige Riesenarschloch nicht nur sie, sondern auch seine ureigensten Pflichten in den Schmutz zog, als ob sie gar nichts zu bedeuten hätten.
Kleines Mädchen hatte er sie genannt. Übers Knie legen wollte er sie? Danach hatte sie einfach keine Wahl gehabt. Sie hatte ihm den Todesstoß versetzen müssen, nur um sein Gesicht zu sehen. Das einzig Blöde daran war, dass sie
gleichzeitig auch zielsicher jede Hoffnung auf eine Zukunft in dieser Stadt zerstört hatte.
Noch schlimmer. Sie hatte sich praktisch soeben um ein Amt beworben, das sie gar nicht haben wollte, nur aus Prinzip.
Böse, böse Krankenschwester.
»Oh, gut, Sie haben sie mitgebracht.«
Verwirrt hob Timmie den Blick. Sie hatte nicht einmal gemerkt, dass sie schon auf Dads Station angelangt war. Aber so war es, und sie sah sich dem unvermeidlichen Beweis gegenüber, dass es DONNERSTAG war und das Wetter KÜHL UND FEUCHT. Vermutlich war es nicht gestattet, das sehr viel angemessenere Wort SCHEISSWETTER zu benutzen. Falls es bis morgen nicht aufklaren sollte, dann würde Halloween ins Wasser fallen. Aber das war im Augenblick nicht ihr Problem. Ihr Problem lächelte sie gerade mit der ganzen Hingabe einer wahren Gläubigen an.
Timmie streckte ihr die Hand mit der Tasche entgegen. »Alles da.«
Die Schwester, ein fröhliches junges Ding, dessen sprühende Energie bei Timmie Erschöpfung hervorrief, linste in die Tasche als suchte sie nach Halloween-Süßigkeiten. »Oh, wie ich diesen Teil der Arbeit liebe. Es ist wie bei Das war Ihr Leben .«
Timmie musste beinahe lachen. Das war keineswegs Joes Leben. Es war Joes Leben, so wie Timmie sich daran erinnern wollte, aber es hatte keinerlei Ähnlichkeit mit der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit hatte sie zwischen Bergen von Steuererklärungsformularen und halb gelösten Kreuzworträtseln zurückgelassen.
»Mehr habe ich fürs Erste nicht gefunden«, sagte sie, als die Krankenschwester einen
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