Todesschlaf - Thriller
Respektabel. Kraftvoll. Beherrscht. Arbeitslos vermutlich, dachte Murphy und überlegte, welcher wohl der Vater von Sherilees bester Freundin sein mochte.
»Nein«, sagte er schließlich, nachdem er jedes Foto betrachtet hatte. »Ich fürchte nicht. Ich nehme an, Sie wollen mir nicht verraten, wer die sind, oder?«
»Tut mir leid«, meinte Adkins. »Nein.«
»Na ja, das hab ich mir schon gedacht.«
Adkins sammelte die Fotos wieder ein und musterte Murphy einen Augenblick lang schweigend. »Da Sie die ganze Angelegenheit sowieso nicht interessiert, kann ich ja wohl davon ausgehen, dass Sie nicht auf eigene Faust irgendwelche Nachforschungen anstellen werden.«
»Das können Sie. Sherilee hat mir einen ziemlich strammen Zeitplan aufgehalst. Aber wenn es Ihnen etwas nützt, dann schreibe ich Ihnen natürlich gern eine Zusammenfassung.«
Adkins nickte und kam unter heftigem Ächzen und Klimpern auf die Beine. »Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Und bitte rufen Sie mich an, falls Ihnen noch etwas einfällt. Egal, was.«
Murphy erhob sich ebenfalls und sein eigenes Ächzen kam ihm viel zu laut vor. »Das mache ich ganz bestimmt. Und viel Glück. Puckett ist ein viel zu hübsches Städtchen für solche Probleme.«
Er streckte die Hand aus. Adkins ergriff sie, aber nur um sie so zu drehen, dass seine Hand oben lag. So ein Bulle also. Murphy ließ es geschehen. Sollte er sich ruhig für einen großen Fisch halten. Murphy wollte Adkins weiß Gott nicht
davon überzeugen, dass es ihn kein bisschen interessierte, wieso Adkins so nervös war. Wieso die Stadtväter ganz offensichtlich so nervös waren. Was genau sie so angestrengt zu schützen versuchten, dass sie Adkins mit seinen versteckten Drohungen und seinen Fragen hierhergeschickt hatten.
»Ja, genau. Also, rufen Sie mich an, falls Sie etwas brauchen.«
»Mach ich.«
»Und denken Sie daran«, gab Adkins ihm noch unheilverkündend mit, während er die Hand wieder an den Gürtel legte. »Überlassen Sie das Fragen uns.«
Murphy hätte am liebsten laut gelacht. »Keine Sorge«, sagte er mit breitem Chorknabenlächeln. »Das mache ich.«
Zwei Stunden später betrat Murphy Sherilee Carters Büro, das wie eine Sammlung der Höhepunkte aus der Ruhmeshalle des Journalismus wirkte, und brach ohne mit der Wimper zu zucken sein Versprechen.
»Es war jedenfalls nicht der Vater Ihrer Freundin, der da bei der Pferdegala herumgeballert hat«, sagte er und beugte sich gleichzeitig über ihren Schreibtisch, um ein paar Smarties aus einer Tasse mit dem Aufdruck Die Unbestechlichen zu stibitzen. Murphy überlegte unwillkürlich, wie viele Menschen dieser gottverdammte Film wohl schon ins Unglück gestürzt hatte. Menschen, die den Weg des Journalismus gewählt und dabei Woodward und Bernstein vor Augen gehabt hatten.
Und um das Ganze noch schlimmer zu machen, hatte sie an der Wand hinter ihrem Schreibtisch eine ganze Ganovengalerie hängen: Handsignierte Fotos von David Halberstam, Peter Arnett, Neil Sheedan, Peter Hamill, die ihn jedes Mal, wenn er das Büro betrat, anstarrten wie die Geister einer längst vergangenen Ära.
Auch ein Foto von Murphy hatte dort an der Wand gehangen
- aber nur bis zu dem Augenblick, in dem er zum ersten Mal den Raum betreten hatte. Und dennoch gaben die Bilder in Kombination mit Sherilees hemmungslosem Enthusiasmus Murphy jedes Mal das Gefühl, als würde er sich selbst begegnen - in Schlaghosen und Afrolook.
Obwohl, wenn er darüber nachdachte, dann musste er zugeben, dass er es in der guten alten Zeit nie mit einer Herausgeberin zu tun gehabt hatte, die im Baby-Doll-Kleidchen und mit rosafarbenen Haarspangen zum Dienst erschien. Aber wenn der eigene Vater der Enkel des Gründers und immer noch der Besitzer der Zeitung war, dann konnte man wahrscheinlich anziehen, was einem gerade in den Kram passte, dachte Murphy.
»Woher wissen Sie das?«, wollte Sherilee wissen und ließ den fünfhundert Dollar teuren braunen Ledersessel ihres Vaters herumschwingen. Ihre kurzen, pummeligen Beinchen reichten nicht einmal bis ganz auf den Boden.
Murphy drohte ihr mit dem Zeigefinger. »Na, na, na, falsche Frage. Richtig wäre gewesen: ›Wie kommen Sie darauf, dass ich den Vater meiner Freundin im Verdacht habe?‹«
Sherilee wurde rot. »Also gut... Wie kommen Sie darauf, dass ich den Vater meiner Freundin im Verdacht habe?«
»Weil Sie genauso wenig über die Schießerei geredet haben wie alle anderen Einwohner dieser Stadt auch, und das
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