Todesschlaf - Thriller
bewegen, ihm dabei behilflich zu sein.
»Bei einer Hexenjagd mache ich nicht mit«, erklärte sie.
Murphy setzte sich wieder in Bewegung. »Ich will ja niemanden zur Strecke bringen. Ich verfasse einen Hintergrundbericht über die Wundertaten von Restcrest und der Neurological Research Group. Ich möchte das mit dem Porträt über ihren Vater verbinden.«
Leary trottete ihm hinterher. Die Sohlen ihrer klobigen Schuhe knallten auf den Kachelboden. »Das ist auch der einzige Grund, warum ich überhaupt mitkomme.«
Drei Meter vor der offen stehenden Brandschutztür von Restcrest blieb sie erneut stehen, die Hände in die Hüften gestützt und mit loderndem Blick. Sie trug heute alte, abgewetzte Jeans, dazu ein übergroßes erbsengrünes Sweatshirt und, so wie es aussah, schwere, braune Arbeitsstiefel. Ihr einziger Schmuck bestand in einer Mickeymausuhr mit schwarzem Armband, deren Ziffernblatt an der Innenseite ihres Handgelenks lag, sowie in jenen winzigen vier Ohrringen in jedem Ohr. Eine geradlinige Naturgewalt.
»Ich finde einfach, wir sollten uns mehr auf das Krankenhaus als Ganzes konzentrieren«, protestierte sie und warf einen vorsichtigen Blick auf die verschiedenen Türen, als hätte sie Angst, jemand könnte sie hören. Was wahrscheinlich der Fall war. Ihre drängende Stimme wehte wie ein leiser Windhauch den Flur entlang. »Ich hatte immer noch keine Gelegenheit, einen Blick auf diese Todesraten-Statistiken zu werfen, aber mir ist nichts begegnet, was den geringsten Schatten auf Restcrest werfen könnte.«
»Sie hatten zwei Tage Zeit«, sagte er mahnend, nur um sie wütend zu machen.
Sie wurde wütend. »Ganz genau, zwei Tage. Dazu eine sechsjährige grippekranke Tochter und eine verstopfte Toilette. Ich fürchte, dann muss ein Mord eben warten. Und zwar genau bis morgen, bis ich nach der Arbeit das Halloween-Kostüm für meine Tochter fertiggemacht habe und wahrscheinlich auch noch bis nach dem Abendessen.«
»Abendessen?«
Murphy blickte sie aus großen, erstaunten Kinderaugen an.
»Ja, genau. Abendessen. Sie wissen doch, was das ist.«
»Sie können während des Essens keine Computerausdrucke lesen?«
Sie zog den Kopf ein, stopfte die Hände in die Hosentaschen und eilte so schnell in Richtung Restcrest davon, dass Murphy die Antwort fast nicht verstanden hätte. »Nicht, wenn ich eingeladen werde.«
»Eingeladen?«, rief er ihr auffordernd hinterher und wusste ganz genau, dass er ihre Reaktion richtig interpretierte. Doch er wollte einen letzten Beweis und eilte ihr hinterher. »Bitte, sagen Sie mir, dass Sie nicht mit dem Goldjungen ausgehen. Und wenn, dass Sie es nur deshalb tun, um ihn mir auf dem Silbertablett zu servieren.«
Leary blieb stehen. Sie starrte ihn feindselig an. Sie stürzte denselben Weg, den sie gekommen war, wieder zurück wie ein von der Schwerkraft einer vagabundierenden Sonne erfasster Komet. »Ich gehe mit ihm aus, um mich mit ihm über unsere Familien und die guten, alten Zeiten und die Welt außerhalb des Krankenhauses zu unterhalten.«
»Und über Mord«, beharrte Murphy und sah, wie sich Flecken an ihrem Hals bildeten.
»Machen Sie sich doch nicht lächerlich.«
Murphy ertappte sich dabei, wie er sie am Arm packte.
Als ob sich dadurch irgendetwas ändern ließe. Als ob sie kein großes Mädchen wäre, das genau wusste, worauf es sich einließ, und als ob er nicht der Letzte wäre, der irgendeinem anderen Bewohner dieses Planeten irgendwelche Ratschläge erteilen könnte.
Sie schnellte zu ihm herum wie eine wild gewordene Katze. Und fing plötzlich an zu lächeln.
Doch das Lächeln galt nicht ihm. Und war alles andere als freundlich.
»Ms.Arlington«, sagte sie mit beinahe zusammengebissenen Zähnen über seine linke Schulter hinweg. »Schön, Sie zu sehen.«
Murphy drehte sich um und sah die perfekte Verkörperung aller Public-Relations-Damen im sozialen Dienst in Bruno-Magli-Schuhen auf sie zustöckeln. Der Pager wippte im Takt ihrer Schritte an ihrer Seite mit, und ihre schlanke Figur war in irgendetwas Graues von zeitloser Eleganz gehüllt. Die Public-Relations-Königin wirkte verwirrt.
»Gehen Sie Mr. Murphy zur Hand?«, fragte sie Timmie und drückte die Tagesmappe aus weichem Leder wie ein Baby an ihre Brust.
Schnell ließ Murphy Timmie los und sah zu, wie ihr Lächeln immer größer wurde, ähnlich wie bei einem Preisboxer vor dem Gong zur ersten Runde. »Nur bei dem Artikel über meinen Vater. Ich muss erst in ein paar Stunden bei der Arbeit
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