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Todesschlaf - Thriller

Titel: Todesschlaf - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eileen Dreyer Leo Strohm
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zwischen bestimmten Bedürfnissen und den zu ihrer Erfüllung notwendigen Auf gaben verloren. Ein Patient registriert dann zwar vielleicht das Hungergefühl, weiß aber nicht mehr, was er dagegen unternehmen soll.Wenn er das Essen nicht sehen kann, dann kommt es oft vor, dass er das Bedürfnis zu essen vergisst. Wir versuchen, alle lebensnotwendigen Dinge so offen und frei zugänglich wie möglich zu halten. Wir brechen notwendige Aufgaben auf leicht zu bewältigende Handlungen mit zusätzlichen Erinnerungselementen herunter.«
    Es gab eine Menge Erinnerungselemente. An jeder Wand hingen große Korkwände, die in mächtigen Lettern bekannt gaben:
    HEUTE IST DIENSTAG, DER 29. OKTOBER:
HEUTE ABEND SQUARE DANCE, LEUTE!
DAS WETTER HEUTE: BEWÖLKT UND KALT,
ETWA NULL GRAD CELSIUS.
ÜBERMORGEN HAT BERT BRINKERHOFF GEBURTSTAG.
    Überall waren lächelnde oder stirnrunzelnde Smileys zu sehen, farbenfrohe Gemälde, Skulpturen aus Wollgarn, Fotos der näheren Umgebung. So etwas wie das genaue, düstere Gegenteil zum Klassenraum einer Vorschule.
    »Hier sehen Sie einen der - aus meiner Sicht - bemerkenswertesten Fortschritte in der Alzheimer-Pflege«, fuhr Ms. Arlington fort, während sie sich den Patientenzimmern näherten. Dabei machte sie eine Handbewegung, die man
auch in jeder Fernseh-Gameshow zu sehen bekam. »Unsere Gedächtniskästen. Wir platzieren sie vor den Zimmern der Patienten, damit sie leicht zu erkennen sind. Um die eigene Identität zu stärken.«
    Murphy musste eingestehen, dass ihn die hell erleuchteten Plexiglasbehälter beeindruckten. Sie waren vor jedem Zimmer in die Wand eingelassen und enthielten Erinnerungsstücke aus dem Leben des jeweiligen Patienten. Alte Fotografien, Uniformen, Nippes, Kinderbasteleien. Der Mann, der sich den Apfel geholt hatte, ging gerade auf einen der Kästen zu, streckte ein wenig die Hand aus, als wollte er danach greifen, den Blick auf das große Hochzeitsfoto aus den Vierzigerjahren und einen Satz verstellbarer Schraubenschlüssel gerichtet, die darin angestrahlt wurden. Im Vorübergehen strich er über das Plexiglas, als ob die Verbindung so schwach war, dass er den direkten Kontakt brauchte, um sie zu spüren.
    Fast so wie Ahnenverehrung, dachte Murphy und spürte ein unangenehmes Kribbeln. Kleine Schreine zum Andenken an verflossene Erinnerungen, denen im Vorbeigehen gehuldigt wurde.Wie die Mesusa der Juden, die Schriftkapsel, die am Türpfosten befestigt wird und die Menschen an die Gegenwart Gottes erinnern soll.
    Murphy hatte den Großteil seines Lebens darauf verwandt, genau diese Verbindungen zu kappen.Als er sah, wie der alte Mann beim Anblick seines jüngeren Ebenbildes zu lächeln begann, fragte er sich, was wohl in seinem Schrein stehen würde. Ob er sich anhand der beiden Pulitzer-Preise wohl erkennen würde.
    Scheiß drauf, dachte er dann und schüttelte beinahe abergläubisch den Kopf. Das Entscheidende war doch, dass es hier … ja, verdammt noch mal, sauber aussah. Gepflegt, gut geführt, gut geplant, gut gemeint. Murphy hatte im Verlauf seiner Karriere schon mehr als ein Pflegeheim unter die
Lupe genommen. Er hatte einmal eine unvergessliche Woche in einem Heim vor den Toren Detroits verbracht, wo in der Suppe Kakerlaken schwammen und Mäuse in den Matratzen hausten. Was immer er am Schluss über Alex Raymond zu sagen haben würde, man konnte ihm nicht vorwerfen, dass er aus dem Leid seiner Patienten Profit schlagen wollte. Diese Patienten litten nicht. Die Ausstattung war von bester Qualität, angefangen bei Diagnosegeräten wie einem Kernspin-Tomographen und einem Positronen-Emissions-Tomographen bis hin zu den Geräten für die körperliche Rehabilitation.Alles direkt aus dem Raumzeitalter, alles nur zum Wohl dieser zerbrechlichen, lächelnden Menschen und derer, die ihnen folgen würden.
    Also das genaue Gegenteil dessen, was er erwartet hatte. Und - so viel Ehrlichkeit musste sein - nicht das, was er sich wünschte. Angefangen hatte er mit dieser Geschichte, um etwas gegen seine Langeweile zu unternehmen. Aber je mehr er erfuhr, desto größer wurde sein Verdacht, dass sich in diesem perfekten Apfel irgendwo ein Wurm versteckte. Er konnte ihn bloß nicht entdecken, verdammt noch mal, und deshalb musste er noch härter arbeiten.
    Was ihm genauso wenig in den Kram passte.
    »Hier scheinen ja alle noch sehr mobil zu sein«, sagte er und ging bewusst weiter. »Was geschieht, wenn das nicht mehr der Fall ist?«
    »Station fünf«, erwiderte Mary Jane

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