Todesschrei
abgelenkt, dass ein Mörder sie beobachtete, also hatte Lena wenigstens einmal etwas Gutes bewirkt - wenn auch indirekt. Sie lehnte den Kopf an die Stütze und sah ihn an. »Tut mir leid, dass ich dich habe warten lassen. Wie fandest du meine Wikingerführung?«
Sein Blick veränderte sich, seine Augen blitzten, und sein Mund verzog sich zu einem lüsternen Grinsen. »Als Kriegerin bist du enorm sexy. Ich hätte dich am liebsten auf der Stelle genommen.«
Sie lachte, wie er es bezweckt hatte. »Vor all den Kindern? Schäm dich.«
Er nahm ihre Hand und führte sie an seine Lippen. »Was ist los, Sophie?«
Seine Stimme war so zärtlich, dass ihr die Augen brannten. »Harry war heute kurz da.«
Sie berichtete ihm, was sie erfahren hatte, und sah, wie sich sein Blick verhärtete.
»Du solltest Anzeige erstatten.«
»Du hörst dich an wie Harry. Ich habe nicht Anzeige erstattet, als Lena meine Schwester umgebracht hat. Warum sollte ich es wegen ein paar geklauten Schallplatten tun?« Vito schüttelte den Kopf. »Elles Tod war ein Unfall. Diebstahl ist Vorsatz.«
Sophie hob das Kinn. »Jetzt hörst du dich an wie Katherine. «
»Weil sie recht hat. Lena ist eine furchtbare Mutter, aber sie wollte Elle bestimmt nicht töten. Mit den Schallplatten und deinem Geld verhält es sich anders. Sie hat das geplant und davon profitiert. Wenn du sie hassen willst, dann tu es für Dinge, die sie wirklich getan hat. Sie zu hassen, weil sie einem Kind aus Unwissenheit etwas zu essen gegeben hat, gegen das es hochgradig allergisch war, ist vollkommen unsinnig.«
Sophie fiel die Kinnlade herab.
»Unsinnig?«
»Und kindisch«, fuhr er ruhig fort. »Gestern Abend hast du gesagt, dass Andrea ihre Wahl getroffen hatte, und damit hast du recht gehabt. Lena hat auch ihre Wahl getroffen. Mehrmals. Du kannst sie dafür verantwortlich machen - dass sie dich einfach abgeladen und deine Großmutter bestohlen hat, aber nicht für Elles Tod. Diese Art von Hass ist reine Energieverschwendung.«
Sophie spürte Tränen der Wut in den Augen brennen. »Ich kann sie hassen, wofür immer ich sie hassen will, Vito, und das geht dich überhaupt nichts an, also halt dich am besten einfach raus.«
Er zuckte zusammen und sah zur Seite. »Okay.« Er legte den Gang ein und ordnete sich in den Verkehr ein. »Jetzt weiß ich wenigstens, wo ich stehe.«
Es tat ihr augenblicklich leid. »Entschuldige, Vito. Das hätte ich nicht sagen sollen. Ich bin bloß so enttäuscht, dass ich nichts habe, was ich Gran heute vorspielen kann, und ich wollte sie doch einfach nur glücklich machen.« »Allein dich zu sehen macht sie glücklich.« Aber er sah sie nicht an, obwohl sie gerade an einer Ampel hielten, und plötzlich packte sie die Angst.
»Vito, bitte. Es tut mir leid. Ich hätte nicht sagen dürfen, dass du dich da raushalten sollst. Ich bin es einfach nicht gewohnt, mir darüber Gedanken zu machen, was ein anderer von mir hält. Jedenfalls nicht, wenn es sich um jemanden handelt, dessen Meinung mir wichtig ist.« »Schon gut, Sophie.« Das war es nicht, sie konnte es sehen. Aber sie wusste nicht, wie sie es wieder hinbiegen sollte, daher versuchte sie einen anderen Weg. »Vito, ihr habt ihn noch nicht gefunden, nicht wahr? Simon Vartanian?«
Er presste die Kiefer zusammen. »Nein. Aber wir haben die Typen von oRo gefunden.«
»Lebend?«
»Den einen von beiden.«
Sie holte tief Luft. »Simon versucht, Zeugen zu beseitigen, richtig?«
Ein Muskel in seinem Gesicht zuckte. »So sieht es aus.« »Ich passe auf, Vito. Du musst dir nicht noch zusätzlich über mich Sorgen machen.«
Nun warf er ihr einen Blick zu, und dieser war so eindringlich, dass die Erleichterung ihre Furcht davonspülte. »Gut. Denn du bedeutest mir ziemlich viel, Sophie. Ich will, dass es dich kümmert, was ich denke, und ich will mir darum Gedanken machen dürfen, wie es dir geht.« Sie war nicht sicher, wie sie reagieren sollte. »Das ist ein ziemlich großer Schritt, Vito. Besonders für mich.« »Ich weiß. Deswegen will ich mich ja auch in Geduld üben.« Er tätschelte ihren Oberschenkel, dann nahm er ihre Hand. »Mach dir keine Sorgen, Sophie. Ich will mich um dich kümmern, aber ich werde dich nicht unter Druck setzen.« Sie starrte auf seine Hand. Sie war so groß, so kräftig. »Weißt du, manchmal baue ich ziemlichen Mist. Aber das hier will ich nicht kaputt machen. Was immer zwischen uns ist.«
»Wirst du auch nicht. Aber jetzt lehn dich zurück und genieß die Fahrt.«
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