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Todesschrei

Todesschrei

Titel: Todesschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Rose
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stand am Rand des neuen Grabs, ihr Gesicht wirkte geisterhaft blass unter dem breiten roten Stirnband. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf das Opfer. Vito hatte das plötzliche Bedürfnis, sie an sich zu ziehen und ihr Gesicht an seiner Schulter zu bergen, damit sie den verwesenden Körper nicht sehen musste. Stattdessen richtete er sich auf und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Was haben Sie gesagt?« Sie regte sich nicht, den Blick immer noch auf den Toten fixiert.
    Er schüttelte sie ganz sacht, nahm ihr Kinn und drehte ihr Gesicht zu sich.
    »Dr. Johannsen. Was haben Sie gesagt?« Sie schluckte und hob dann den Blick. Ihre Augen strahlten nicht mehr. »Er sieht aus wie eine Grabfigur.« »Was meinen Sie damit?«
    Sie schloss die Augen, wappnete sich sichtlich, und Vito musste daran denken, dass die Toten, mit denen sie es in ihrem Beruf zu tun bekam, mehrere hundert Jahre unter der Erde gelegen hatten. »Oft findet man bei Gräbern ein Abbild des Toten in Marmor oder Stein gemeißelt. Die Statuen liegen auf dem Rücken auf dem Grab oder der Gruft.«
    Sie klang nun wie eine Dozentin, und Vito nahm an, dass sie sich auf diese Art selbst beruhigte. »Frauen werden gewöhnlich mit gefalteten Händen dargestellt. So in etwa.« Sie legte die Hände unterhalb des Kinns aneinander und kopierte damit unwissentlich die Pose der Jane Doe. Vito warf Nick einen scharfen Blick zu, und dieser nickte. »Bitte weiter, Sophie«, sagte Nick. »Sie helfen uns sehr.« »Aber ... aber manchmal sind ihre Arme auch über der Brust gekreuzt, die Hände flach.« Wieder demonstrierte sie es. »Die Männer werden ebenfalls manchmal im Gebet dargestellt, oft aber auch in voller Rüstung mit dem Schwert in der Hand. Normalerweise liegt das Schwert an seiner Seite, aber manchmal eben auch so.« Sie ballte ihre bebenden Fäuste und legte sie sich auf die Brust, wodurch sie die Pose des Toten einnahm. »Er hält den Schwertgriff in der Hand, die Klinge liegt flach auf seinem Oberkörper und weist abwärts. Als Abbild kommt das nicht so häufig vor. Es sagt aus, dass der Mann im Kampf gestorben ist. Wissen Sie, wer er sein kann?« Er schüttelte den Kopf. »Noch nicht.« »Der Sohn oder der Mann von jemandem«, murmelte sie.
    »Warum setzen Sie sich nicht eine Weile ins Warme in meinen Truck? Hier sind die Schlüssel.«
    Sie schaute auf, und ihre Augen waren hell. Sie war den Tränen nah. »Nein danke, es geht schon. Ich wollte Ihnen gerade eben nur sagen, dass ich links von dem Grab nichts gefunden habe. Ich bewege mich jetzt auf die Bäume zu.« Sie wischte sich mit den behandschuhten Fingern über die Augen. »Wirklich, es geht schon.«
    Nick richtete sich auf. »Was Sie uns gerade erzählt haben, erinnert mich an Bilder, die ich einmal in einem Geschichtsbuch gesehen habe. Das ist doch ein mittelalterlicher Brauch, oder? Diese Figur auf dem Grab?« Sie nickte, immer noch sehr blass. »Ja. Die ersten bekannten Statuen dieser Art datieren zurück bis elfte Jahrhundert, waren aber noch durch die ganze Renaissance hinweg üblich.«
    »Jungs.« Jen kniete am Rand des Grabs. »Wir haben größere Probleme als das Schwert dieses Burschen hier.« Sie kam auf die Füße und klopfte sich die Erde von ihrem Overall. Vito und Nick blickten ins Grab hinab, aber Johannsen hielt Abstand. Vito konnte es ihr nicht verübeln. Auch er hätte am liebsten den Blick abgewandt, aber er tat es nicht. Jen hatte das Opfer bis zu den Lenden freigelegt, und in seinem Bauch war ein großes Loch. »Dieses Schwein«, brummelte er.
    »Was?«, fragte Johannsen, die noch immer ein paar Schritte entfernt stand.
    Jen seufzte. »Dieser Mann hat keine Innereien mehr.« »Ausgeweidet«, sagte Johannsen leise. »Eine Folterpraxis, die in der ganzen Geschichte, aber vor allem im Mittelalter vorkommt.«
    »Folter«, murmelte Nick. »Heilige Scheiße, Vito. Mit was für einem kranken Spinner haben wir es denn hier zu tun?«
    Vitos Blick glitt über das Feld. »Und wie viele andere hat er verbuddelt?«
     
    New York City, Sonntag, 14. Januar, 17.00 Uhr
    Mit dem Ploppen des Champagnerkorkens ebbte der Lärm der Menge zu einem gedämpften Murmeln ab. Derek Harrington beobachtete vom hinteren Teil des Raumes aus, wie Jager Van Zandt inmitten einer Truppe junger, eifriger Gesichter die sprudelnde Flasche von seinem teuren Anzug weghielt.
    »Früher waren wir auch mit einem Sixpack zufrieden, solange es schön kalt war.«
    Derek schaute mit einem reuigen Lächeln zu Tony

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