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Todesschrei

Todesschrei

Titel: Todesschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Rose
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tausendmal gehört hatte. Ihr Onkel litt unter chronischer Schlaflosigkeit. Jede Nacht saß er vor dem Fernseher, sah alte Filme und döste hin und wieder ein. Es war für sie immer ein enormer Trost gewesen zu wissen, dass er hier, jede Nacht, in seinem Sessel saß und für sie da war, wenn sie ihn brauchen sollte. Um zuzuhören. Rat zu erteilen. Oder einfach nur bei ihr zu sein. Und er war immer für sie da gewesen. Immer. »Als ich das erste Mal runterkam und dich hier sitzen sah, ist es auch Bette Davis gewesen.
Die boshafte Lady
allerdings. Das waren noch Filme«, neckte sie ihn, aber seine Miene war nüchtern.
    »Ja, ich kann mich erinnern«, erwiderte er ruhig. »Du warst vier und hattest einen bösen Traum. Du hast so niedlich in deinem einteiligen Schlafanzug mit den Söckchen ausgesehen.«
    Leider konnte sie sich auch an den Traum erinnern, aus dem sie verängstigt in einem fremden Bett aufgewacht war. Bis zu diesem Punkt in ihrem Leben waren die Betten immer fremd gewesen. Erst Harry, Gran und Katherine hatten diesem Zustand ein Ende bereitet. Sie stand tief in ihrer Schuld.
    »Ich habe diesen Schlafanzug geliebt.« Sie hatte ihn von ihrer Cousine Paula geerbt, die ihn wiederum von ihrer Cousine Nina geerbt hatte. Die angestrickten Füßlinge waren schon mehrfach gestopft und das Flanell ausgewaschen gewesen, aber Sophie hatte nie etwas Wunderbareres besessen. »Er war so weich und kuschelig.« Harrys Blick flackerte, und Sophie wusste, dass er an den fadenscheinigen Baumwollpyjama dachte, den sie getragen hatte, als man sie auf seiner Türschwelle abgeladen hatte. In jener Nacht war es so kalt wie heute gewesen, und Harry hatte seine Wut nicht verbergen können. Erst Jahre später hatte sie verstanden, dass sich sein Zorn auf ihre Mutter gerichtet hatte.
    »Am Anfang habe ich gar nicht bemerkt, dass du weintest. Nicht, bevor ich dein Gesicht sah.«
    Sie wusste es noch ganz genau: Sie war die Treppe heruntergekommen, voller Furcht nach diesem schlimmen Traum, aber auch ängstlich darauf bedacht, kein Geräusch zu machen. »Ich hatte Angst, jemanden zu wecken.« Ihre Mutter hatte sie niemals wecken dürfen. »Ich dachte, dann wirst du böse auf mich und schickst mich wieder weg.« Sie rieb mit dem Daumen über Harrys Stirn, um die Falten zu glätten. »Aber natürlich hast du das nicht getan. Ich habe einfach nur auf deinem Schoß sitzen dürfen, und wir haben zusammen
Die boshafte Lady
gesehen.« Und zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sich Sophie geborgen gefühlt. »Warum so viele Erinnerungen, Sophie? Was ist heute passiert?«
    Wo
soll ich anfangen?
»Ich habe Katherine heute bei einer Sache geholfen. Ich darf dir nichts Genaues sagen, aber es war in professioneller Funktion<.« Sie zeichnete Gänsefüßchen in die Luft.
    »Du hast einen Toten gesehen.« Seine Stimme verhärtete sich. »Tja, das erklärt das Parfum. Und das war verdammt unverantwortlich von Katherine. Kein Wunder, dass du nicht schlafen konntest.«
    »Ich bin jetzt ein großes Mädchen, Onkel Harry. Ich kann einen Toten ertragen. Im Übrigen hat Katherine überhaupt nicht damit gerechnet, dass ich einen Leichnam zu sehen bekomme. Es tat ihr ungeheuer leid.« Sie sah ihm in die Augen und holte tief Luft. »Und sie fühlte sich noch elender, als sie den Leichensack verschloss.« Harry ließ die Schultern hängen und sah sie traurig an. »Ach, Liebes, das hätte nicht passieren dürfen.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Schon okay. Ich mochte heute Nacht nur nicht in dem Haus bleiben.« »Dann bleibst du hier, in deinem alten Zimmer. Ich habe morgen frei. Dann backe ich dir Waffeln.« Jetzt klang er wie ein kleiner Junge, und dieses Mal war ihr Lächeln echt. »Sehr verführerisch, Onkel Harry, aber ich muss morgen früh raus. Ich muss zum Haus und die Hunde rauslassen, danach bin ich den ganzen Tag im Museum. Aber wie wäre es mit einem Abendessen?« »Du solltest nicht mit einem alten Mann zu Abend essen, sondern ausgehen. Du verkriechst dich seit einem halben Jahr in deinem Haus. Gibt es denn niemanden, den du leiden kannst?«
    Vito Ciccotellis attraktives Gesicht tauchte vor ihrem geistigen Auge auf, und sie zog verärgert die Brauen zusammen. Ihn hatte sie leiden können, verdammt. Sie hatte ihn sogar respektiert. Aber schlimmer noch - sie hatte ihn begehrt, selbst dann noch, als sie begriffen hatte, dass sie ihn nicht haben konnte. Nun hinterließ der Gedanke an ihn einen fast so schlechten Geschmack auf ihrer Zunge wie das

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