Todesschrei
über den ganzen Rücken, das Gesäß und über die Rückseiten der Beine. Wir denken, das Opfer wurde gezwungen, sich auf einen Stuhl mit Nägeln zu setzen.«
Instinktiv schüttelte Sophie voller Widerwillen den Kopf. »Das ist doch ein Witz, oder? Bitte, sagen Sie mir, dass das ein Witz sein soll.« Aber die Erinnerung an das Gesicht des toten Mannes, die Hände und den ausgeweideten Körper gab ihr die Gewissheit, dass es den Detectives ernst war. »Nein. Sie meinen es so.« Vito nickte. »Leider.«
Ein Schauder lief ihr über den Rücken. »Der Inquisitionsstuhl«, sagte sie leise.
»Nick hat Bilder davon auf einer Museumswebsite gefunden«, sagte Vito. »Einen solchen Stuhl hat es also gegeben.«
Sie nickte, während ihre Fantasie scheußliche Bilder produzierte. »O ja, und ob.«
»Könnten Sie uns mehr darüber sagen?«, bat Vito. Sie holte tief Luft und hoffte, dass ihr Magen sie nicht im Stich lassen würde. »Okay, mal sehen ... Nun, der Stuhl war eines der vielen Instrumente, die während der Inquisition eingesetzt wurden.«
»Meine Güte, die Spanische Inquisition«, murmelte Nick. »Die Spanische Inquisition kennen die meisten Leute aus dem Geschichtsunterricht, aber es gab verschiedene.« Es war leichter zu dozieren, als über die Opfer nachzudenken. »Die erste Welle von Inquisitionen gab es im Mittelalter. Der Stuhl existierte in der späteren spanischen Periode und vielleicht auch schon im Mittelalter, aber darüber streiten die Historiker. Wenn er in der Zeit eingesetzt wurde, dann jedenfalls nicht so häufig wie die anderen Folterinstrumente.«
Nick schaute von seinem Notizbuch auf. »Und warum nicht?«
»Laut Originaldokumenten hatten die Inquisitoren ziemlich viel Erfolg damit, den Opfern den Stuhl einfach nur zu zeigen. Dazu muss man wissen, dass er in der Realität weit erschreckender aussieht als auf einem Bild.«
»Haben Sie schon einmal einen gesehen?«, fragte Nick, und sie nickte.
»Wo?«, wollte Vito wissen.
»Im Museum. In Europa gibt es einige von diesen Exemplaren.«
»Und wo könnte man heutzutage so ein Ding bekommen?«, hakte Vito nach.
»Es ist sicher nicht so schwer, ihn selbst zu bauen, wenn man es wirklich will. Zumindest einen einfachen. Natürlich gab es selbst im Mittelalter schon ganz ausgefeilte Modelle. An den meisten Stühlen waren schlichte Fesseln befestigt, aber es gab sogar welche mit Kurbeln, an denen man die Gurte fester ziehen und das Opfer tiefer in die Nägel drücken konnte. Und dann ...« Sie seufzte. »Dann gab es auch Modelle, die mit Metall verkleidet waren, das sich aufheizen ließ. So wurde die Haut des Angeklagten nicht nur punktiert, sondern auch verbrannt.« Vito und Nick tauschten einen Blick aus, und sie schlug sich entsetzt die Hand vor den Mund. »Nein.«
»Wo kann man einen solchen Stuhl herbekommen?«, wiederholte Vito. »Bitte, Sophie.«
Der realistische Hintergrund der Frage drang ihr immer stärker ins Bewusstsein ein und verbannte das Gefühl des Entsetzens. Panik überfiel sie. Die Polizei verließ sich auf ihr Wissen, um einen Killer zu finden, und mit einem Mal fühlte sie sich furchtbar unzulänglich. »Hört mal, Leute, mein Fachgebiet sind mittelalterliche Befestigungsanlagen und strategische Kriegsführung. Ich habe bestenfalls ein Basiswissen von inquisitorischer Hardware. Soll ich nicht besser einen Experten anrufen? Dr. Fournier von der Sorbonne ist weltweit anerkannt.«
Beide Männer schüttelten den Kopf. »Nur wenn wir absolut nicht weiterkommen«, sagte Vito. »Wir möchten so wenig Leute wie möglich einbeziehen. Ihr Basiswissen kann im Augenblick durchaus reichen.« Er fixierte sie mit einem eindringlichen Blick, und der Sturm in ihr legte sich. »Bitte sagen Sie uns einfach, was Sie wissen.« Sie nickte und zwang ihren Verstand, sich an Informationen zu erinnern, die über das hinausgingen, was eine Internetsuche erbringen mochte. »Okay. Lassen Sie mich nachdenken.« Sie presste die Finger an die Schläfen. »Entweder hat er seine Instrumente selbst gemacht, oder er hat sie fertig erworben. Wenn sie bereits fertig waren, könnte es sich um alles, von groben Kopien bis zu Originalfundstücken, handeln. Was meinen Sie?« »Keine Ahnung«, sagte Nick. »Überlegen Sie weiter.« »Wie gleichmäßig war das Punktmuster?« »Verdammt gleichmäßig«, sagte Vito. »Also geht er sehr sorgfältig vor. Wenn er das Ding selbst gebaut hat, achtet er auf Einzelheiten. Kann sein, dass er Zeichnungen oder Bauplänen hatte.«
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