Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
hat. Vielleicht hat sie für die alten Leute im Viertel eingekauft oder so. Das würde zu ihr passen.«
Rebekka nickte nachdenklich. Ihr war selbst schon dieser Gedanke gekommen, und sie hoffte fest, dass die Dienste, die Sofie für das Geld geleistet hatte, vollkommen unschuldiger Art waren.
»Du hast vorhin gesagt, dass du die meiste Zeit in deinem Zimmer verbringst. Warum?«
Mark spielte einen Augenblick an einem Kissen mit einem verwaschenen Druck von Michael Jackson herum.
»Ich kann die Streitereien zwischen meiner Mutter und Steffen nicht ab. Sie schreien sich die ganze Zeit an. Es ist zum Wahnsinnigwerden.«
»Worüber streiten sie?«
Mark seufzte resigniert. »Man müsste wohl eher fragen, worüber streiten sie nicht ? Sie streiten sich über alles. Über Geld, über Essen, über die Schlangen und über uns. Vor allem über uns, also über mich und Sofie. Steffen findet, dass an uns so gut wie alles verkehrt ist. Er sagt, dass ich stinkfaul bin und dass Sofie total verwöhnt ist.«
»Findest du auch, dass an Steffen so gut wie alles verkehrt ist?«
Ein flüchtiges Lächeln huschte über Marks Gesicht. »Manchmal ist er schon ganz okay. Aber seine Stimmung schwankt so stark, dass man nie weiß, woran man bei ihm ist.«
Die Beschreibung des Stiefvaters bestätigte Rebekkas ersten Eindruck von Steffen Olsen.
»Und wie kommt Sofie mit Steffen aus?«, wollte sie wissen.
»Schlecht«, lautete die prompte Antwort.
»Wie schlecht?«
»Sie hat Angst vor ihm. Und er kann sie nicht ausstehen. Ihr Wesen nervt ihn, sagt er. Er kommt zum Beispiel überhaupt nicht damit zurecht, dass sie solche Angst vor Schlangen hat. Sie liegt immer da und weint und hält sich die Ohren zu, wenn sie gefüttert werden. Sie werden mit lebendigen Mäusen und Ratten gefüttert, und natürlich schreien die Tiere, wenn sie in den Käfig zu den Schlangen kommen. Das sind Todesschreie. Ich finde auch, dass das furchtbar klingt, aber ich stelle dann eben die Anlage lauter.«
Mark nickte zu einer größeren Stereoanlage in einer Ecke des kleinen Zimmers hinüber. Rebekka schauderte, während sie sich die entsetzte Sofie vorstellte, die sich die Ohren zuhielt, während die Schlangen gierig ihre lebendige Beute verzehrten.
»Hat Sofie denn einen Grund, Angst vor Steffen zu haben?«
Ein dunkler Schatten glitt über das Gesicht des jungen Mannes. »Nach außen hin macht Steffen einen netten Eindruck, und er ist ja auch ganz nett, aber wenn man nicht genau das tut, was er will, betrachtet er einen als Feind. So ist das. Als Feind. Alle haben eine Heidenangst vor ihm. Meine Mutter, wir, Bo, die Jugendlichen aus dem Kontra. Alle.«
»Sofies Angst ist also begründet, meinst du?«
Mark nickte. »Er hat ihr einmal den Arm gebrochen, weil sie nicht schnell genug in ihr Zimmer gegangen ist.«
»Was sagst du da?«
»Ich war nicht zu Hause, als es passiert ist. Sofie hat es mir erzählt. Als ich meine Mutter gefragt habe, ob das stimmt, hat sie gesagt, dass das gelogen ist und dass Sofie unten im Hof hingefallen ist.«
»Aber du hast deiner Schwester geglaubt?«
»Ja.«
»Wann war das?«
»Irgendwann im Frühjahr. Ich weiß nicht mehr genau.«
Rebekka ballte die Hände zu Fäusten und versuchte, ihre Gefühle aus ihrer Stimme herauszuhalten. »Was glaubst du, wo Sofie steckt? Wir denken, dass sie vielleicht bei ihrem leiblichen Vater ist …«
Mark lachte gedämpft. »Das würde sie freiwillig nie tun. Er ist ein Idiot. Ein Riesenidiot. Da ist mir Steffen schon lieber, wenn ich wählen müsste.«
»Kann ja sein, dass sie nicht freiwillig mit ihm gegangen ist.«
»Sie meinen, dass Allan sie gekidnappt hat?« Marks Blick war höhnisch.
»Etwas in der Art, ja.«
»Das ist unmöglich. Allan ist entweder stockbesoffen oder auf Drogen. Und zwar immer. Sogar ein kleines Kind könnte ihm davonlaufen. Selbst Patrick würde es schaffen, ihm abzuhauen.«
»Was glaubst du dann, wo Sofie ist?«
Mark zog an der Zigarette, sein Gesicht wurde wieder verschlossen. Dann stieß er den Rauch mit einem tiefen Seufzer aus und sagte: »Ich glaube, dass sie tot ist. Oder besser gesagt – ich glaube das nicht nur. Ich bin mir ganz sicher. Sie ist tot.«
—
»Gibt es etwas Neues?«
Bo sah Steffen, seinen Bruder, der auf seinem Sofa herumhing und seine Zigaretten rauchte, eindringlich an. Es war typisch, dass Steffen ihn anschnorrte, obwohl er derjenige von ihnen war, der mehr Geld hatte, dachte Bo und spürte, wie seine ständige Gereiztheit über
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