Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
Stressflecken übersät. Rebekka legte der Frau beruhigend die Hand auf den Arm und lächelte sie an.
»Dann wird Egon eben grantig. Es ist wichtiger, dass wir uns auf Sofie konzentrieren.«
»Ach, Sofie. Ich mag mir gar nicht vorstellen, dass ihr etwas Schlimmes passiert sein könnte.«
Rebekka bat sie, von Sofie zu erzählen.
»Ach, sie ist so ein liebes Mädchen, die Sofie. Wirklich.« Lillian Kjeldsens Falten glätteten sich für einen Augenblick.
»Wie gut kennen Sie sie?«
»Gut oder vielleicht ziemlich gut, denn wie gut kennt man letztendlich einen Menschen, wenn es darauf ankommt?« Das war mehr eine rhetorische Frage. Dann begann Lillian Kjeldsen kleine Anekdoten von Sofies guten und schlechten Seiten zu erzählen. Sofie sei ein sensibles Mädchen, erklärte sie, während sie nervös das Milchkännchen hin und her schob.
»Man könnte schon sagen, dass sie eine Einzelgängerin ist und ihre Geheimnisse hat. Aber manchmal vertraut sie sich mir an. Ach, ich weiß nicht …« Der Ausdruck in Lillian Kjeldsens Gesicht veränderte sich von einer Sekunde auf die andere. Rebekka trat näher an sie heran, schwieg jedoch und wartete, während sie die Frau beobachtete, die ganz offensichtlich mit ihrem Gewissen kämpfte.
»Lillian«, klang es barsch aus dem Wohnzimmer, »die Milch!«
Lillian Kjeldsen zuckte zusammen. »Ich komme. Ich rede nur gerade mit der Kommissarin.«
Aus dem Wohnzimmer war ein Brummen zu vernehmen.
»Wo waren wir?« Lillian Kjeldsen blickte freundlich zu Rebekka hoch, die deutlich spürte, dass die Frau ganz genau wusste, wo sie waren.
»Sie haben gesagt, dass Sofie sich Ihnen hin und wieder anvertraut hat. Was hat sie Ihnen erzählt?«
»Nun ja.« Erneutes Zögern. »Ich möchte natürlich nicht in Schwierigkeiten kommen.« Lillian Kjeldsen ging auf ihren kräftigen Beinen unruhig auf und ab. Rebekka legte die Hand auf den molligen Arm der Frau.
»Es ist äußerst wichtig, dass Sie mir alles erzählen, was Sie wissen, damit wir Sofie so schnell wie möglich finden.«
»Natürlich. Ich will nur niemandem Schwierigkeiten machen, und schon gar nicht, wo ich nicht weiß, ob das nicht nur Kindergemecker war.«
»Kindergemecker?«
Lillian Kjeldsen lachte. Ihr Lachen war kräftig wie die Frau selbst. »Kindergemecker, ja. So habe ich das immer genannt, als meine eigenen Kinder noch klein waren. Sie wissen schon, die Kinder meckern über die alltäglichsten Dinge. So sind sie nun mal.«
Und die Erwachsenen auch, dachte Rebekka im Stillen.
»Worüber hat Sofie denn gemeckert?«
»Am meisten hat sie sich über Steffen aufgeregt, über ihren Stiefvater.«
Rebekka merkte, wie ihr Puls schneller wurde.
»Ich bin mir sicher, dass da nichts dran ist. Ich meine, wir wohnen eine Etage unter ihnen, und ich habe nie etwas gehört … irgendetwas Gewalttätiges, meine ich.« Sie verstummte.
»Sofie ist leider nicht da, um mir ihre Geschichte zu erzählen. Heute müssen Sie ihre Stimme sein. Was hat Steffen getan, was Sofie nicht gefallen hat?«
Lillian Kjeldsen spielte erneut mit dem Milchkännchen, drehte es zur Hälfte herum.
»Steffen neigt dazu, gewalttätig zu werden, wenn er wütend ist. Das ist einfach so.«
»Hat Sofie erzählt oder besser, hat sie den Eindruck erweckt, dass er sie geschlagen oder sich sexuell an ihr vergangen hätte?«
»Guter Gott, nein. Ganz und gar nicht.« Lillian Kjeldsen zögerte und fügte hinzu: »Sie hat einen Zwischenfall erwähnt, wo er hart zugefasst hat, er hat sie nicht direkt geschlagen, aber er hat sie festgehalten. Ich glaube, sie findet ihn einfach zu streng. Sie ist der Meinung, dass er sie und Mark anders behandelt als den kleinen Patrick, der sein biologisches Kind ist.«
»Finden Sie auch, dass er die Kinder unterschiedlich behandelt?«
Lillian Kjeldsens Blick flackerte kurz. »Ein bisschen vielleicht. Aber ich glaube, das lässt sich nicht vermeiden, wenn ein eigenes Kind dazukommt. Steffen ist ganz verrückt nach Patrick. Aber das hat doch jetzt für Steffen keine negativen Auswirkungen, oder? Ich meine, er hat Sofie doch nichts getan, das weiß ich. Ich kenne Steffen nur als hilfsbereiten, netten Mann.«
»Sofie hat sich im Frühjahr den Arm gebrochen, oder?«
Rebekka sah die Frau eindringlich an, die den Blick niederschlug.
»Sofie hat ihrem Bruder Mark erzählt, dass Steffen ihr den Arm gebrochen hat.«
Lillian Kjeldsen schüttelte den Kopf. »Das hat sie mir auch erzählt. Aber ich habe ihr das nicht geglaubt, und das tue ich
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