Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
Olsen. Kommen Sie herein.« Er gab ihnen beiden die Hand, sein Händedruck war fest. »Ich bin Sofies Stiefvater oder wie man das nennen soll.« Ein kleines Lächeln huschte über seine fülligen Lippen. Er führte sie in eine größere Wohnküche, wo eine blasse, sehnige Frau mit einer Packung Kleenex und einem vollen Aschenbecher mehr über dem Tisch lag als dass sie saß. An der orangefarbenen Wand hinter ihr hingen ein paar große Farbfotos der Kinder, zwei Jungen und ein Mädchen, Seite an Seite. Rebekka erkannte Sofie sofort. Sie stellten sich vor, sagten ein paar tröstende Worte und setzten sich. Rebekka merkte, dass Anita Kyhns Augen an ihr klebten.
»Gibt es etwas Neues?«
Rebekka schüttelte langsam den Kopf. »Leider nein, noch nicht«, antwortete sie und fügte hinzu: »Aber wir haben Hubschrauber, Hunde und viele Polizisten im Einsatz, die gerade die Umgebung absuchen. Sie können ganz beruhigt sein, wir tun alles, um Ihre Tochter zu finden.«
Steffen Olsen setzte sich neben seine Frau, und das Paar bestätigte noch einmal die Geschichte, die der Chef der Mordkommission Rebekka erzählt hatte.
»Sofie hatte sich so auf den Waldausflug gefreut, so hatten wir die Unternehmung genannt. Wir kommen nicht oft raus, und obwohl wir so nahe am Naturspielplatz wohnen, gehen wir eigentlich nur selten zusammen dorthin. Man muss immer viel Zeug einpacken, und das …« Anitas Stimme versagte.
»Wir sind ein bisschen träge, wenn es darum geht, Ausflüge und so was zu machen. Wir sind gerne zu Hause«, warf Steffen ein, und Anita nickte zustimmend.
»Sofie hat uns schon so lange in den Ohren gelegen, dass wir zusammen einen Ausflug dorthin machen sollen«, sagte sie. »Mit einem Picknickkorb und allem Drum und Dran. Eigentlich hatten wir den Ausflug schon vor einer Woche machen wollen, aber da war das Wetter zu schlecht, deshalb haben wir ihn verschoben. Heute hat es dann geklappt. Wir sind zusammen mit unseren Nachbarn losgezogen, Egon und Lillian, sie sind so eine Art Ersatzgroßeltern für die Kinder. Bo hätte eigentlich auch noch mitkommen sollen, aber er ist nicht aufgetaucht …«
Rebekka sah Reza schnell von der Seite an.
»Wer ist Bo?«, wollte Reza wissen, und Steffen Olsen erklärte, dass das sein jüngerer Bruder sei, der oft zu Gast bei ihnen sei und den die Kinder liebten.
»Haben Sie überprüft, ob sie bei ihm ist?«
Steffen nickte. »Natürlich. Aber sie sehen sich nur, wenn die Familie sich trifft. Ich glaube nicht einmal, dass sie weiß, wo er wohnt. Bo war total geschockt, als er gehört hat, dass Sofie verschwunden ist.«
Anita Kyhn griff nach der Hand ihres Mannes und zog sie zu sich hin. Steffen Olsen sah Rebekka und Reza verlegen an, als würde er sich bei der Berührung unwohl fühlen. Anita Kyhn schien seinen Unwillen jedoch nicht zu bemerken, Tränen liefen ihre mageren Wangen hinunter.
»Ich verstehe das nicht. Sie ist wie vom Erdboden verschluckt. Das ist doch nicht möglich.«
»Haben Sie eine Telefonliste von Sofies Klassenkameraden gemacht und die Namen und Telefonnummern der engsten Familienangehörigen und Freunde notiert, zu denen wir Kontakt aufnehmen können?«
Anita Kyhn nickte und fuhr sich mit der Hand durch den dünnen Pferdeschwanz. »Steffen hat die Liste schon abtelefoniert, aber jetzt in den Sommerferien sind viele nicht zu Hause. Die meisten sind in ihrem Sommerhaus. Sofie hat sich so gewünscht, dass wir in den Ferien ein Häuschen mieten. Wenn wir das getan hätten, wäre sie nicht verschwunden.« Anita Kyhn sah sie verzweifelt an.
Steffens Gesicht verhärtete sich. »Fie hat einfach nicht begriffen, dass wir uns das nicht leisten können.«
Anita Kyhn nickte und putzte sich die Nase.
»Wie ist Sofie eigentlich – ist sie von Natur aus lebhaft oder eher zurückhaltend?«, wollte Reza wissen.
Anita und Steffen machten einen nachdenklichen Eindruck. Schließlich beantwortete Anita die Frage.
»Sie ist schon etwas still, in sich gekehrt könnte man wohl sagen. Sie hat nicht viele Freundinnen …«
»Sie hatte doch Maria. Maria aus ihrer Klasse«, warf Steffen ein.
»Ja, aber Maria ist beliebt. Sie ist auch mit anderen Mädchen zusammen, spielt sie gegeneinander aus, und dann ist Sofie am Boden zerstört. Unter Erwachsenen fühlt sie sich aber sehr wohl, obwohl sie ein wenig schüchtern ist.« Anita Kyhns Stimme zitterte leicht. Steffen zuckte mit den Schultern.
»Sie haben erzählt, dass sie gerne durch die Gegend streift …«
»Ja, aber das
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