Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
die Einsamkeit so überwältigend gewesen war, dass er sie zu einem Gespräch in die Wohnung gelassen hatte. Sie hatten ihn freundlich, aber ernst angesehen und mit leisen, traurigen Stimmen davon gesprochen, was einen erwartete, wenn man sich nicht Jehova anschloss. Søren war zutiefst beunruhigt gewesen, als er sie anderthalb Stunden später wieder zur Tür begleitet hatte. Eine der Damen hatte nach seiner Hand gegriffen und sie ein wenig zu lange festgehalten, bevor sie ihm ein paar Blättchen zugesteckt hatte. Søren wusste genau, dass seine Mutter ihn zwingen würde, die Blättchen wegzuwerfen, wenn sie sie sah. Deshalb hatte er sie in seinem Schlafzimmer versteckt und schaute nur am Abend heimlich hinein. Es hatte ihn erschreckt, was dort stand, und plötzlich war ihm klar geworden, dass auch er jemand war, dem Gott niemals seine Sünden vergeben würde.
Ein Polizist ging mit einem angeleinten Hund an den Bäumen entlang, und Søren zog schnell den Kopf ein. Er war nicht besonders schlau, das hatte er oft genug zu hören bekommen, aber er wusste zumindest so viel, dass er sich bedeckt halten sollte. Søren schaltete den Fernseher ein. Er blieb einen Moment ganz still stehen, während die Bilder aus dem Afghanistankrieg auf ihn einströmten. Ein weiterer dänischer Soldat war in der Provinz Helmand ermordet worden. Schnell griff er nach der Fernbedienung, und der Fernseher schaltete sich mit einem leisen Seufzen aus.
Søren war unschlüssig, der Gedanke an all die Polizisten, die jetzt im Viertel herumliefen, machte ihn ängstlich und aufgedreht zugleich. Vielleicht half es, wenn er sich einen Karl-Stegger-Film ansah, das half normalerweise in jeder Situation. Er ging zum Regal und sah die unzähligen Filme mit dem verstorbenen Schauspieler durch, die er hatte. Einhundertneunzehn waren es, um genau zu sein. Seit seiner frühesten Jugend war Søren ein Karl-Stegger-Fan, und wenn ihn jemand fragte, warum er gerade Karl Stegger so besonders mochte, konnte er das nicht erklären, sondern nur antworten, dass ihn der Anblick des rundlichen Schauspielers immer so fröhlich mache.
Er zog einen Film aus der Reihe Der Poet und Lillemor heraus und schob ihn in den DVD -Player. Dann machte er es sich in dem abgenutzten Lehnstuhl gemütlich. Er war jetzt ein bisschen ruhiger und verspürte eine kribbelnde Vorfreude im Bauch, obwohl er den Film schon mindestens hundertmal gesehen hatte.
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In dem Moment, in dem Rebekka die Handbremse anzog, kam Reza auf ihr Auto zu. Es war mehrere Wochen her, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, und sie stieg aus und umarmte ihn kurz. Reza erstarrte etwas, denn er mochte keine Umarmungen, und sie ließ ihn sofort wieder los. Einen Moment waren beide ein wenig verlegen, dann lächelten sie sich an. Wie jemand, der gerade aus den Ferien kam, sah Reza allerdings nicht aus. Ganz im Gegenteil. Er war blass, und seine Augen waren blutunterlaufen, als hätte er lange Zeit schlecht geschlafen. Sie sah ihn besorgt an.
»Hattest du schöne Ferien?«, fragte sie, und er lächelte schnell und murmelte etwas, das wie »okay« klang und lenkte das Gespräch schnell auf die Ermittlungen.
»Warst du drüben im Park?«
Sie nickte. »Ich habe ein kurzes Briefing bekommen, mir ein wenig den Ort angesehen, und als ich gerade gehen wollte, hat einer der Hunde ein paar Hundert Meter weiter weg das Handy des Mädchens gefunden. Oder besser gesagt, wir vermuten, dass es ihr Handy ist. Es hat jedoch einige besondere Kennzeichen, darunter einen Handyanhänger mit ein paar kleinen Plastikbären. Es wird wohl ihres sein, leider.«
»Das klingt nicht gut.«
»Nein, und das Display war kaputt, als wäre es auf etwas Hartes gefallen, auf einen großen Stein zum Beispiel. Aber wir werden sehen. Erwähne es vor der Familie bitte nicht, Brodersen möchte erst sicher sein, dass es wirklich ihr Handy ist.« Sie drehte sich um und sah an einem grauen Betonbau hoch.
»Kommst du? Hier müsste es sein. Im dritten Stock.«
Kurz darauf befanden sie sich vor der Wohnungstür, dritter Stock rechts. Auf einem kleineren Porzellanschild standen die Namen Kyhn und Olsen. Ein Mann mit einer Tonsur, allem Anschein nach in den Dreißigern, öffnete ihnen in dem Augenblick die Tür, in dem sie klingelten. Er war groß und muskulös und hatte eine solariumsgebräunte Lederhaut, deren Farbe in starkem Kontrast zu seinem engen, weißen T-Shirt stand. Über den rechten Bizeps wand sich eine tätowierte Schlange.
»Steffen
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