Todesspiel
Wir bringen die Sache jetzt hinter uns.«
»Wie weit nach Süden?«, fragte ich – John sollte mithören.
»Nicht weit.«
»Okay, wenn es nicht weit ist …« Ich fuhr mit dreißig Stundenmeilen weiter nach Süden. Schon nach rund einer halben Minute sagte Carp: »Fahren Sie rechts ran, sobald Sie das rote Tuch an dem Busch in Fahrtrichtung links sehen. Fahren Sie dort einfach rechts ran.«
Ich sah das rote Tuch, einen Schal, und hielt rechts am Straßenrand an. »Was jetzt?«
»Schauen Sie zurück in die Richtung, aus der Sie gekommen sind.« Ich tat es und sah ihn am linken Straßenrand auf seinem Mountainbike angestrampelt kommen, mit dem Mobiltelefon am Ohr. »Okay, Sie sehen mich jetzt also. Ich habe keine Waffe. Falls Sie mir irgendwas antun, wird Rachel draußen im Wald verhungern.«
»Okay, okay, ich sehe Sie«, knurrte ich. »Sie kriegen den
verdammten Laptop. Kommen Sie und holen Sie ihn sich. Soll ich aussteigen?« Wieder vor allem für John.
»Ja, steigen Sie aus.«
»Okay, ich steige aus …«
Die Sonne brannte heiß, aber es war, so weit abseits vom Durchgangsverkehr, absolut still; nur leise Motorengeräusche waren in der Ferne zu hören. Der Geruch des in der Sonne kochenden Zittergrases stieg mir in die Nase. Carp war vierzig Meter von mir entfernt, kam nicht näher, balancierte auf seinem Bike. Keine Möglichkeit, ihn zu attackieren … In der Hand schwenkte er ein Blatt Papier, sagte dann ins Handy: »Das hier ist eine Karte, die zu dem Ort führt, wo sich Rachel befindet. Wenn Sie hingehen und laut rufen, wird sie Antwort geben. Ich habe die alte Scheune markiert, wo der Pfad in den Wald beginnt, Sie können’s nicht verfehlen.«
Ich hielt Bobbys Laptop hoch. »Hier ist der Laptop. Was soll ich damit machen?«
»Legen Sie ihn hin. An den Straßenrand auf meiner Seite. Ich gucke ihn mir an, und wenn alles okay ist, lege ich die Karte hin. Falls nicht alles okay ist oder Sie irgendwas Dummes versuchen sollten, verschwinde ich, und Sie werden nie mehr was von mir hören. Und Rachel wird nie mehr was von Ihnen hören.«
»Ich schneide Ihnen den verdammten Kopf ab«, schrie ich ins Telefon.
»Ja, ja … Legen Sie den Laptop hin.«
Ich überquerte den Highway, legte den Laptop am Straßenrand ab, ging dann zurück zum Wagen, fuhr los, weitere vierzig oder fünfzig Meter nach Süden. Carp radelte hinter mir langsam zum Laptop. Ich hatte den Computer noch im Wagen eingeschaltet. Er nahm ihn hoch, öffnete den Deckel, tippte
auf ein paar Tasten, schaute auf den Screen, schloss den Deckel wieder, legte das Blatt Papier auf den Boden und beschwerte es mit einigen Kieseln. Ein Wagen rauschte vorbei, der Fahrer sah neugierig zu uns hin, verringerte aber sein Tempo nicht.
Carp schwang sich wieder auf sein Bike, radelte von mir weg, sagte ins Telefon: »Sie können sich jetzt die Karte holen.« Er klang frohlockend. Sein Handy war plötzlich tot, und ich sah zu, wie er vom Highway abbog und über den kurzen Hang am Straßenrand einen Pfad ansteuerte, der am Ende eines der Felder zum Damm führte. Ich griff nach Marvels Handy.
»Er hat eine Karte mit Rachels Aufenthaltsort hinterlassen, und er fährt mit dem Bike auf den Damm zu. Ich bin rund eine halbe Meile südlich von Universal. Er versucht offenbar tatsächlich, den Fluss zu überqueren.«
»Wir schließen auf der anderen Seite auf«, sagte John. »Wir versuchen, ihn auf der anderen Flussseite zu erwischen.«
Ich machte kehrt, fuhr zu der Stelle, wo die Karte lag, hielt an und holte sie. Carp überquerte gerade, wie ich beobachtete, den Damm und verschwand auf der anderen Seite in einem Pappelwald. Von dieser Stelle aus konnte ich jetzt den Pfad zum Damm besser sehen. Stammt von Fischern aus der Gegend, dachte ich.
Die Karte bestand aus zwei Blättern: der Fotokopie eines Ausschnitts aus einer Straßenkarte mit der Markierung einer Kreuzung zweier Schotterstraßen zehn Meilen westlich von Longstreet und rund fünfzehn Straßenmeilen von meinem Standort entfernt sowie einer von Hand gezeichneten Skizze, die bei dieser Straßenkreuzung einsetzte. Neben einem eingezeichneten Rechteck stand die Notiz »verlassenes früheres Schulhaus«, neben einem weiteren mit einem zusätzlichen Pfeil war »Starkstromleitung in den Wald« vermerkt. Es sah aus, als ob man anderthalb Meilen in den Wald hinein zu Fuß
marschieren müsste, um Rachel zu finden. Das alles wirkte so überzeugend, dass ich zu glauben begann, wir würden Rachel bald in
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