Todesspiel
würde immer der Boss sein, aber Cizinio hatte mittlerweile nicht mehr so viel Respekt vor ihm.
Ich bin mein eigener Padrone.
Während sie sich langsam vorwärtsbewegten, verständigte sich Cizinio mit seiner Sturmtruppe durch Handzeichen, gab seinen Leuten zu verstehen, ob sie vorrücken oder verharren sollten. Durch Lücken zwischen Blaubeersträuchern erspähte er etwas Graues. Das Haus. Eine elende Bruchbude.
Sie erreichten den Rand der Lichtung. Vor dem Haus stand ein einzelnes Auto, dasselbe, das vor einer Weile an ihnen vorbeigefahren war.
Die vorderen Fensterläden standen offen. Er hob sein Zeiss-Fernglas, justierte die Linsen und erblickte Christa, die am Fenster vorüberging. Draußen gab es keine Wachen. Es sah so aus, wie es sein sollte. Ein »sicheres Haus« der Polizei.
Er gab das Signal für »Halt«.
In zehn Minuten geht die Sonne unter.
Cizinio sog den Kiefernduft ein und dachte daran, wie er mit Rosa geschlafen hatte, als sie beide noch Jugendliche gewesen waren – bevor sie sich mit Rubens angefreundet hatte. Sie hatte sich ihm aus Mitleid hingegeben, ihn auf die Stirn geküsst und war anschließend aus seinem Leben verschwunden. So als hätte sie sich ihm als Andenken geschenkt. Noch jetzt roch er ihre einzigartige Mischung aus Moschus, Zimt und etwas ganz Besonderem. Einmal hatte er versucht, diesen Duft selbst herzustellen. Er hatte sich die Zutaten in einer Drogerie und in einem Parfümgeschäft gekauft und sie gemischt, ein trauernder Idiot, der im Badezimmer Flüssigkeiten verrührte. Das Ergebnis hatte er wutentbrannt weggekippt, weil die Mischung nicht im Entferntesten an sie erinnerte.
Aber Estrella duftete genauso wie Rosa. Er hatte es in dem Lagerhaus gerochen, als seine Männer sie ihm gebracht hatten, als sie sich gewehrt und ihn verflucht hatte. Sie war Rosa. Sie hatte denselben verfluchten Duft an sich wie ihre Mutter, und sie besaß dasselbe ungestüme Temperament. Es war, als wäre Rosa wieder zum Leben erwacht. Er war sich allerdings nicht sicher, ob er sich wünschte, sie zu behalten oder erneut zu töten.
Und bei diesem Gedanken befiehl ihn Unbehagen. Rosa hatte immer diese Gefühle bei ihm geweckt. Niemand außer Rosa hatte je Schuldgefühle in ihm hervorgerufen. Sie war wie ein Strick um seinen Hals, selbst als sie schon längst tot war. Es wurmte ihn, dass sie ihn schwach machte. Er hasste sie, und er hatte sie verbrannt, dennoch erschien sie ihm weiterhin in seinen Träumen und Erinnerungen. Und jetzt war sie wieder da in Gestalt von Estrella.
Rubens und Rosa werden vom Himmel aus zusehen müssen, was ich mit ihr anstellen werde. Zwei machtlose Geister.
Über dem Wellblechdach schwebte nur noch ein goldener Streifen, als könnte Licht feste Umrisse weicher machen. Aus dem Streifen wurde ein Schimmern, bis man das Schimmern nur noch erahnen konnte.
Der leuchtend orangefarbene Himmel verfärbte sich violett, und schließlich wurde es dunkel.
Cizinio hob eine Hand. Die Männer rechts und links von ihm konnten ihn inzwischen kaum noch sehen. Er drehte die Hand nach oben.
Auf sein Zeichen hin wurde in der Nähe ein starkes, tragbares Gerät eingeschaltet, das jeden Funkverkehr unterband. Dank Nestors Verbindungen waren sie mit dem neuesten Stand der Technik ausgerüstet. Von jetzt an waren aus dem Haus nur noch Anrufe über eine Festnetzverbindung möglich.
Cizinio rief über das verschlüsselte Funkgerät die beiden SUVs.
Die Sturmtruppe wartete ungeduldig auf Cizinios Signal zum Angriff.
19
Ich sehe Scheinwerfer«, sagte Christa.
In der Ferne hüpften vier Leuchtpunkte durch die Dunkelheit auf sie zu. Sofort nahmen alle ihren Posten ein: Walsh in einem nach hinten gelegenen Schlafzimmer, Sue Kellogg in der Küche, Walt Indick, der Fahrer, und Christa im vorderen Zimmer. Jeder besetzte ein Fenster.
Hank Owens und James Sheedy liefen den Flur entlang, bewaffnet mit Mossbergs. Dann hörte Christa eine Tür zuschlagen. Beide Männer waren durch eine Luke im hinteren Teil des Hauses hinausgegangen, um unter das Haus zu kriechen.
Christa sagte zu Indick: »Ich sehe zwei SUVs.«
Neben dem Fenster stehend, beobachtete sie, wie die Lichter näher kamen. Die SUVs hielten neben dem geparkten Impala. Die Türen wurden geöffnet. Sie konnte Indicks Worte kaum verstehen, so laut pochte ihr das Blut in den Ohren.
»Vier Mann. Dunkle Anzüge. Könnten die vom FBI sein?«, fragte er.
»Nein. Das glaube ich nicht. Aber sicher bin ich mir nicht.«
Sue Kellogg
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