Todesspiel
kenne ich keinen«, sagte sie.
Das war gelogen. Aber er antwortete: »Wir sind aus Baltimore.«
»Das ist ja ein Ding! Ich war vor zwei Jahren für einige Zeit dorthin versetzt. Ich liebe diese Stadt. Harbor Place. Uncle Lee’s Restaurant. Gibt Robin Pettit immer noch den Empfangschef und bringt selbst gemachte Brownies mit?«
»Wer?«
»Wie hieß noch mal der Typ in der Werkstatt? Howie Mrazek? Erzählt er immer noch die Witze über George Bush und Jane Fonda?«
»Schicken Sie Lemos raus«, sagte der Mann.
Der Schweiß sammelte sich in ihren Achselhöhlen und lief ihr kalt den Rücken hinunter. Ihre kugelsichere Weste war mittlerweile durchnässt.
»Was war noch mal mit diesem West Virginia …«
Es musste ein Zeichen gegeben haben. Sie hatte es weder gehört noch gesehen, aber alle vier Gestalten bewegten sich gleichzeitig und hoben die Waffen. Sie tauchte rückwärts ab und feuerte. Die Männer schössen ebenfalls. Das Gesicht des Wortführers wurde zerfetzt, und etwas schlug ihr gegen die Brust und warf sie in die Luft. Sie landete auf dem Rücken und bekam keine Luft mehr. Sie lag halb im Hauseingang, die Beine ausgestreckt auf die Veranda.
Ich bin getroffen.
Dann hörte sie, wie unterm Haus aus zwei Flinten geschossen wurde. Ihre Füße bewegten sich eigenständig und schoben sie rückwärts ins Haus. Zeit und Raum hatten sich verkehrt. Sie sah immer noch das zerfetzte Gesicht vor sich. Der Türrahmen bildete ein Trapez. Die Deckenlampe im Wohnzimmer hing an der Seite. Der Schmerz in der Brust raubte ihr fast die Sinne, während sich das Getöse in zwei Geräuschstränge aufteilte. Die Tür schlug zu, und Indicks Gesicht tauchte vor ihr auf.
»Alles in Ordnung?«, schrie Indick.
Die Tür splitterte. In ihrem Pullover war ein Loch. Als sie ihn anhob, sah sie stumpfe, schwarze Einkerbungen in der kugelsicheren Weste.
Sie hat mir das Leben gerettet.
Endlich bekam sie wieder Luft. Aber das Atmen verursachte ihr Schmerzen.
Aus dem Kriechkeller unter dem Haus hörte sie weitere Schüsse.
Sie rappelte sich auf die Füße, vergaß die Schmerzen in Brust und Rücken, wunderte sich über das Ausmaß des Gefechtslärms. Sie konnte das Knattern von Maschinenpistolen und das Krachen von Flinten ausmachen.
Wie viele sind da draußen?
Das Fenster barst. Indick riss sie zur Seite. Kugeln flogen ins Wohnzimmer, schlugen in Wände und zerfetzten Strandposter. In den Rauchschwaden schwebten Baumwollfetzen aus dem Sofa durch die Luft wie Pusteblumensamen.
Christa schaffte es bis ans Fenster, schob den Lauf ihrer Mossberg hinaus und feuerte.
Jetzt hörte sie Schüsse vom Sumpf her.
Sie kommen auch aus der Richtung.
Plötzlich stolperte Indick zwei Schritte vom Fenster weg. Seine Flinte zeigte auf sie. Als Christa in die Mündung starrte, fiel die Waffe auf den Boden. Indick kippte rückwärts in eine Ecke. Gegen die Wand gelehnt, wedelte er mit einer nassen Hand vor seinem Gesicht herum, als wollte er etwas wegwischen. »Scheiße«, sagte er und rutschte an der Wand entlang nach unten, auf der eine schmierig rote Spur zurückblieb.
In der Küche sah sie einen Schuh auf dem Boden liegen. Einen Damenschuh mit durchgewetzter Sohle. Wie war er dort hingekommen?
Jetzt war Christa allein in dem Raum.
Es war eine Falle, dachte Cizinio wütend.
Um ihn herum, am Rand der Lichtung, hockten seine Männer hinter Bäumen und belegten das Haus mit mörderischem Beschuss. Unter dem Haus sah er die Blitze von Flinten, die das Feuer erwiderten. Also waren dort unten mindestens zwei Leute. Und jemand schoss aus einem Seitenfenster. Dazu Christa und der Mann am Vorderfenster. Die Polizistin musste ihre Leute hier postiert haben, lange bevor Jack Nestors Freund im Außenministerium von diesem Haus erfahren hatte.
Wie viele sind da drinnen? Zehn? Dreißig? Und wenn sie uns erwartet haben, haben sie vielleicht auch ein SOS rausgeschickt?
»Was wollen Sie tun, Sir?«
Neben ihm kniete ein jungenhafter Mann, vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt, schwarze Jeans, schwarzer Militärhaarschnitt, schwarzes T-Shirt, schwarze Tarnfarbe im Pickelgesicht. Aber der milchgesichtige Mann war nicht so unschuldig, wie er aussah. Er war wegen des Mordes an einer fünfköpfigen Familie im Irak aus dem SAS geflogen, auch wenn er mangels Beweisen freigesprochen worden war. Seine hellblauen Augen leuchteten. Er hielt ein M16 in den Händen, und an seinem Gürtel hingen Handgranaten.
»Sir?«
Auf der Lichtung lag reglos einer der
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