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Todesspiel

Todesspiel

Titel: Todesspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.Scott Reiss
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weißen Kleider waren blutgetränkt. Ihre Nase fehlte. An ihrer Stelle befanden sich zwei Öffnungen, die aussahen wie die Mündung einer Schrotflinte. Auf dem Boden lag ein kleines, rosarotes Stück Fleisch. Die Nase.
    Rubens übergab sich erneut.
    Solche Grausamkeit hatte er in Brasilien noch nie erlebt. Er hatte in Mordfällen ermittelt und Tatorte untersucht, wo Männer im Drogenrausch Prostituierte, Ehefrauen, Freunde getötet hatten. Aber das hier war ein Gemetzel, wie er es sich in seinen schlimmsten Träumen nicht hätte ausmalen können.
    Wo ist das Kind?, fragte er sich voller Entsetzen.
    Ihm blieb beinahe das Herz stehen. Vielleicht hatte der Mann es mitgenommen und es nicht verletzt. Wer würde schon einem Kleinkind etwas zuleide tun?
    Doch dann entdeckte er den winzigen Körper hinter dem Schreibtisch, verdreht wie eine Stoffpuppe. An der Wand darüber klebte graue Hirnmasse. Der Schädel war zertrümmert. Die blauen Flecken an den Fußgelenken sagten Rubens, dass der Mann das Kind an den Beinen gepackt und mit dem Kopf gegen die Wand geschleudert hatte.
    Plötzlich entdeckte er die Worte an der Wand. Das Monster hatte sie mit Blut geschrieben. Rubens blinzelte verwirrt. Die Nachricht ergab keinen Sinn. Muslime? Was hatte das hier mit Muslimen zu tun?
    Dennoch, was er vor sich sah, war eine Prahlerei, eine Herausforderung, eine Kriegserklärung. Eine Bombe, die in der heißesten Sommernacht gezündet worden war, um die Stadt in die Luft zu jagen. Die Polizei würde nicht ruhen, bis sie denjenigen fand, der diese kaltblütigen Morde begangen hatte.
    Dann fiel Rubens’ Blick auf seine eigenen blutigen
    Fußabdrücke auf dem Teppich. Größe 43. Spuren, die von Leiche zu Leiche führten. Sein Erbrochenes auf dem Boden, es war unmöglich, das alles zu entfernen.
    Annie Evans hat gesagt, die Kinderfrau würde um acht Uhr zurückkommen.
    Die tickende Kaminuhr zeigte zehn vor acht an.
    Der Laptop war verschwunden. Und jetzt entdeckte Rubens, was er anfangs übersehen hatte. Ein Geheimfach an der Rückseite des Schreibtischs, das eingeschlagen war. Was auch immer sich darin befunden haben mochte – Geld, Unterlagen, CDs … Beweise –, alles war weg.
    Und ich werde nichts weiter von hier mitnehmen als das Foto von Rio Branco und die Aufnahmen, die ich selbst gemacht habe.
    Im Fernsehen wurde über Bandenkriege zwischen honduranischen und italienischen Gangs in Brooklyn berichtet. Rubens betrachtete seine Hand. Der Gummihandschuh, den er immer noch trug, war gerissen. Blut klebte an seinem kleinen Finger, an seinen Schuhen und Hosenbeinen.
    Eine Minute vor acht.
    So konnte er unmöglich das Haus verlassen. Der Minutenzeiger an der Uhr bewegte sich vorwärts. Eine Minute nach acht. Er zog seine Schuhe aus. Er wusch sich im Bad, trocknete sich die Hände an seiner Hose ab, um keine Hautschuppen an den Handtüchern zu hinterlassen. Wahrscheinlich hatte er mit seinem Finger das Kind oder die Frau berührt. Wahrscheinlich hatte er Haare und Stofffasern im Wandschrank hinterlassen. Auf dem Teppich lag sein Erbrochenes.
    Sechs Minuten nach acht.
    Im Schlafzimmer nahm Rubens ein paar saubere Sachen aus dem Schrank und zwängte sich in eine von
    Evans’ Hosen und ein elegantes, rosafarbenes Hemd. Evans’ Schuhe, in die er schlüpfte, waren ihm eine Nummer zu groß. In der Küche stopfte Rubens seine blutbeschmierten Kleider in eine Mülltüte. Als er sein Gesicht in dem goldgerahmten Spiegel im Flur betrachtete, wunderte er sich darüber, dass er ganz normal aussah, nur ein bisschen blasser. Jetzt konnte er gehen.
    Im letzten Moment machte er noch einmal kehrt, lief die Treppe hoch und nahm Evans’ Pistole aus dem Nachttisch. Die würde er in nächster Zeit womöglich brauchen.
    Rubens Machado Lemos stand mit wild klopfendem Herzen auf der 63 rd Street, entgeistert über den normal fließenden Verkehr, die entspannt schlendernden Passanten.
    »He, Sie da!«, rief ein Mann wenige Minuten später, als Rubens drei Blocks weit gegangen war. Das Pochen in seinem Schädel war so laut, dass er die Worte kaum verstehen konnte. Der Mann, der vor ihm stand, war ein älterer, fetter Weißer, der wütend auf seine Mülltonne zeigte, in die Rubens gerade seine Plastiktüte geworfen hatte. »Ich bin es leid, dass jeder seinen Müll in meine Tonne wirft! Holen Sie das sofort wieder raus!«
    »Ja, Sir.«
    In der überfüllten U-Bahn herrschte ein unwirklich grelles Licht. Rubens zitterte immer noch am ganzen Leib, aber zum Glück

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