Todesspiel
braun färbte. Die Luft roch nach Salz. In der Nähe des Meers hatte der Dschungel einen ganz anderen Geruch.
Ich habe immer noch über tausend Dollar im Schuh.
Estrella hustete, und ihr Kopf fühlte sich heiß an. Rubens musste eine Apotheke finden. Er musste ihr Englisch beibringen, während sie sich langsam bis nach Amerika durchschlugen. Er musste ihr etwas erzählen, worauf sie sich freuen konnte. Sie brauchte eine Vision, an der sie sich festhalten konnte. Einen Traum, der sie aufrechterhalten würde.
Als der Pilot auf sie zukam, dachte Rubens, dass sie in den vergangenen Stunden wenigstens zu diesem Flugzeug gehört hatten, aber auch das war jetzt vorbei. Er fragte sich, ob Josepha Cizinio Informationen über ihren Zielort verkauft hatte. War er hinter ihnen her?
Der Pilot zeigte auf eine Straße, die außerhalb des Stacheldrahtzauns an der Militärbasis vorbeiführte. Der mit Schlaglöchern übersäte Bodenbelag und die klapprigen Laster erinnerten Rubens an Acre.
»Nach Beiern geht’s da lang.«
Rubens konnte es sich nicht verkneifen zu fragen: »Dieses Symbol auf den Kisten, dieses Spatenblatt mit dem Kreuz – was bedeutet das?«
Plötzlich wurde der Mann hellhörig. »Warum?«
»Wer hat da im Dschungel geschossen?«
Der Mann beugte sich vor. »Ich habe keine Schüsse gehört«, sagte er. »Und Sie auch nicht.«
Dann fügte der Pilot hinzu: »Sie sind mit uns gekommen, also werden die Wachen am Tor Ihnen keine Schwierigkeiten machen. Bis zum Hafen sind es noch fünfzehn Kilometer. Hier haben Sie ein paar Cruzados, Kumpel. Nehmen Sie sich ein Taxi.«
Fünfzehn Kilometer? Rubens hätte beinahe laut gelacht, als sie losgingen. Estrella und er befanden sich also auf dem Cano , dem schnellen Weg nach draußen. Die Zeit raste über die unbekannte Flugbahn.
Fünfzehn Kilometer bis zum Hafen.
Und danach nur noch dreizehntausend Kilometer bis zu ihrem Ziel.
»Das sind die Hamptons? Das ist ja furchtbar!«
Um sechs Uhr steckten Rubens und Tommy mit dem alten Sunbird des Anwalts in einem sechzig Kilometer langen Stau. Mercedes- und Lexus-Limousinen, nagelneue BMWs und Allrad-Geländewagen – warum die hier einer kaufte, war Rubens schleierhaft – krochen im Schneckentempo über die Autobahn. Im Fernsehen sahen die Hamptons immer aus wie ein sonnenverwöhntes Strandparadies. Aber in der Zeit, die man brauchte, um an diesen gottverdammten Ort zu gelangen, hätte man bis Rio fliegen können.
»Willst du mir etwa erzählen, dass das hier jedes Wochenende so zugeht?«, fragte Rubens, als Tommy bremste und eine alte Frau mit Gehhilfe und Sonnenhut an ihnen vorbeischlurfte.
»Das ist der Lebensstil der Reichen und Bescheuerten«, antwortete Tommy, der wie üblich die Nachrichten kommentierte. »Hey, Rubens, hast du schon gehört, dass die Regierungen der Welt diese Woche 360 Milliarden Dollar gedruckt haben, um den Hedgefonds-Arschlöchern aus der Subprime-Patsche zu helfen? Man braucht Freunde ganz oben, Rubens. Wenn man Geld stiehlt, das der Allgemeinheit gehört, drucken die Freunde einfach neues.«
»Ich habe nie rausgefunden, was in diesen Kisten war.«
»Wahrscheinlich Drogen, was sonst?«
»Gold?«
»Dann hätten sie die Kisten nicht mehr heben können.«
»Vielleicht war einfach ganz normale Militärausrüstung darin.«
»Ja, sicher. Das war ein ganz normaler, offizieller Militärflug, bei dem nach der Landung mal eben das Kennzeichen geändert wird.«
Auf dem Sitz neben ihnen lagen die Fotos aus Evans’ Arbeitszimmer, die Rubens ausgedruckt hatte. Im Radio wurde ein herrliches Sommerwochenende vorausgesagt – klarer Himmel, siebenundzwanzig Grad, Strandwetter. Dann fuhr der Sprecher fort: »Heute Morgen um fünf hat die Polizei endlich den Putzmann der Familie Evans gefunden.«
Mist, dachte Rubens.
»Außerdem hat ein Nachbar ausgesagt, er hätte einen Mann beobachtet, der drei Blocks vom Tatort entfernt versucht hat, einen Müllbeutel zu entsorgen. Einen ähnlichen, mit Beweismitteln gefüllten Beutel haben die Ermittler in einem Schuttcontainer in der Nähe der U-Bahn-Station an der J9 th Street gefunden.« Als der Mann mich gesehen hat, hatte ich zwar den größten Teil meiner Verkleidung schon abgelegt, aber Gott sei Dank hatte ich den Bart noch nicht abgenommen.
»Derzeit wird ein Phantombild von dem Verdächtigen angefertigt. Und man hat uns versichert, dass die forensischen Untersuchungen im FBI-Labor bis heute Abend abgeschlossen sein werden. Die Ermittler gehen davon aus,
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