Todesspiel
dass der Mörder sich im ersten Stock in einem Wandschrank versteckt und dort gewartet hat, bis die Familie nach Hause kam.«
Tommy hupte und zeigte zwei Typen in einem Porsche, die nicht schnell genug aufschlössen, den Stinkefinger. Kurz vor dem Flughafen Bridgehampton bog er nach links auf eine Landstraße ab, die durch einen Wald führte, und wenig später standen sie im nächsten Stau. Graue Abgaswolken lagen über der träge dahinschleichenden Blechkarawane.
»Heute Abend wirst du vermutlich die Hälfte der New Yorker Kongressabgeordneten kennenlernen«, sagte Tommy. »Schließlich gibt es Alkohol umsonst.«
»Hält dein Mandant, der Journalist, eine Rede?«
»Er wird mit den Delegierten Einzelgespräche führen.«
Die Sonne ging unter. Sie fuhren die Hafenstraße entlang , vorbei an großen Villen, stillen Jachthäfen, saftigen Rasen und Joggern mit Kopfhörern. Tommy verlangsamte das Tempo, als an einer langen, gewundenen Einfahrt eine Schlange wartender Autos zu sehen war. Während ganz in Schwarz gekleidete Diener die Autos parkten, wurden die Gäste von anderen Dienern in Golfwagen zu dem wie eine Ranch angelegten Wohnhaus gefahren, das nur wenige hundert Meter entfernt lag – offenbar zu weit, um den Leuten den Fußweg zuzumuten.
Als der Golfwagen mit Rubens und Tommy oben auf dem Hügel ankam, sah Rubens auf dem Rasen, der zur anderen Seite sanft abfiel, mindestens hundert Gäste, die an Getränkeständen in Gruppen plaudernd zusammenstanden oder zwischen langen, mit Speisen beladenen Tischen umherschlenderten. Im Hintergrund ragten die Masten von Segelbooten auf. Zwei hübsche, in Schwarz gekleidete Blondinen saßen an einem Tisch und hakten die Namen der Gäste auf einer Liste ab.
»Dwayne Higgins und Gast«, sagte Tommy den beiden Blondinen. Er hatte den Namen auf der Liste entdeckt, während sie in der Schlange gewartet hatten.
»Viel Spaß, Mr Higgins.«
»Was passiert, wenn der echte Dwayne Higgins eintrifft?«, fragte Rubens, nachdem sie sich unter die Gäste gemischt hatten.
»Was dann passiert? Hier weiß nachher keiner mehr, wer wer war«, antwortete Tommy. »Aber jetzt lass uns als Erstes dafür sorgen, dass du deine fünf Minuten mit Miguel bekommst.«
Auf dem Rasen bat ein Mann mit Mikrofon um Ruhe. »Die Koalition der Filmschauspieler für die Politik möchte Ihnen allen für Ihr Erscheinen danken«, verkündete er.
»Ah, da ist er ja!«, sagte Tommy und deutete auf einen schlanken Mann hinter der Bar.
»Er ist Barmann ? Ich dachte, er wäre Journalist.«
»In Kolumbien war sein Spezialgebiet investigativer Journalismus, hier hat er sich aufs Cocktailschütteln spezialisiert.«
»Kolumbien? Ich bin aus Brasilien , Tommy. Oder bist du einer von den Gringos, die glauben, in Südamerika liegt alles dicht beieinander?« »Hast du mir nicht erzählt, dass dieses Flugzeug Grenzen überquert hat und von amerikanischen Piloten geflogen wurde? Hast du mir nicht erzählt, Evans hätte gesagt, ›Washington ist ganz heiß darauf‹? Also, Miguel hat sechs Jahre lang korrupte Machenschaften der DEA in Lateinamerika recherchiert. Es geht um das Gesamtbild, du Pfeife.«
Sie standen in einer Menschentraube an dem Tresen, wo Miguel in schwarzer Weste über ein Brett gebeugt stand und Zitronen in Scheiben schnitt. Er hatte eine Halbglatze, einen dichten Schnurrbart und lange Koteletten. Er wirkte genervt, als er Tommy erblickte, und schüttelte den Kopf, als wollte er sagen: »Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht hierherkommen.«
Tommy flüsterte Miguel zu: »Das ist Rubens.«
Der Mann am Mikrofon scherzte gerade: »Wahrscheinlich zerbrechen wir uns alle den Kopf über den politischen Skandal der Woche, nämlich die Frage: Warum hat Senatorin Michaela Richards in der Larry King Show so ein tiefes Dekolleté getragen?«
»Verschwindet«, zischte Miguel.
»Was ist das Geheimnis dieser göttlichen Caipis?«, fragte eine Frau in einer violetten, mit Pailletten besetzten Hose den Barmann.
Miguel lächelte die Frau an. »Wenn ich’s Ihnen verrate, ist es kein Geheimnis mehr.« Dann raunte er Tommy zu: »Ich verliere meinen Job!«
»Vielleicht würdest du lieber deinen Prozess verlieren«, entgegnete Tommy, »und zurück nach Hause geschickt werden, wo das Kartell dich findet.«
Fünf Minuten später standen die drei Männer im Schatten neben dem Haus. Aus einem Badezimmerfenster fiel schwaches Licht. Miguel war stinksauer. Im Haus wurde die Badezimmertür geöffnet, und eine teuer
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