Todesspiel
angerufen«, sagte Jamie. »Er erwartet Sie in einer Stunde vor dem Eingang des Museums. Estrella und ich können mit der U-Bahn nach Hause fahren.«
Estrella nahm Jamie an der Hand und führte ihn zum x-ten Mal zu Degas’ Gemälde von den drei Tänzerinnen. Wahrscheinlich interessierte Jamie sich nicht die Bohne für das Bild. Aber Rubens wusste, dass er das Mädchen immer beschützen würde.
Rosa, wenn du mich hören kannst, öffne ihr Herz. Hilf ihr zu verstehen, was die Liebe für uns bedeutet hat und was sie für mich immer noch bedeutet.
Nach achtzehn Stunden ohne Schlaf döste er in Tommys Sunbird sofort ein.
Er träumte von Rosa. Dann von den Explosionen.
Rosa war vierzehn Jahre alt, hielt seine Hand und flüsterte ihm ins Ohr: »Ich bin gar nicht Cizinios Freundin. Das behauptet er bloß.« Er sah sie an dem Tag, an dem sie in ihr neues Haus eingezogen waren, wie sie überglücklich den Wasserhahn auf- und wieder zugedreht hatte. »Sieh dir das an! Es kommt einfach aus der Leitung! Wir brauchen nicht mehr zur Pumpe zu gehen!«
Dann veränderte sich der Traum, und Estrella fuhr auf dem Beifahrersitz eines klapprigen Toyota aus dem Schlaf. »Mama!«, schrie sie. Sie fuhren über eine holprige Dschungelstraße, mit einem Fremden am Steuer.
Im Südosten erleuchteten Explosionen wie ein Feuerwerk den Himmel über den Baumwipfeln. Dort wurde schon die zweite Nacht gekämpft, Rubens hatte die Geräusche gehört, als sie in einem kleinen Ort übernachtet hatten. Er sah Phosphorgranaten. Schüsse knallten. Die grellen Scheinwerfer von Hubschraubern durchschnitten den Nachthimmel.
»Wer kämpft da?«, fragte Rubens den bolivianischen Fahrer, einen fetten Mann mit gewaltigem Schnurrbart und langen Koteletten namens Guillermo, der für die Fälscherin Josepha arbeitete, barfuß Auto fuhr und Schweißfüße hatte. Detonationen erschütterten die Luft.
»Ach, darüber brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen. Das ist weit weg.«
Aber es war viel näher als am Abend zuvor, als Rubens es gerade über den Fluss geschafft hatte. In der Stadt hatte es nur so gewimmelt von bolivianischen Soldaten, die betrunken herumschlenderten und Estrella lüstern beäugt hatten, als sie Josephas Adresse gesucht hatten.
Jetzt sollte Guillermo sie zu einem versteckten Flugplatz fahren. Dort, so hatte Josepha ihnen versichert, würde ein Flugzeug auf sie warten, das sie nach Beiern, einer Stadt an der Mündung des Amazonas, bringen sollte. Josepha war eine schlanke Schönheit mit langem, silbergrauem Haar, die Cheroot-Zigarren rauchte und in einem sehr gut eingerichteten Haus wohnte. Rubens hatte daraus geschlossen, dass sie mit Schmugglern zusammenarbeitete. Sie hatte die Hälfte von Rubens’ Geld genommen. Außerdem hatte sie seine Beretta verlangt, die Rubens ihr jedoch nicht ausgehändigt hatte.
»Beiern«, hatte sie in einem Ton gesagt, als handelte es sich um eine verwunschene Stadt. »Ein Flugzeug. Ja. Morgen. Der Cano für dich.« Cano war portugiesisch für Gewehrlauf und im Verbrecherslang ein Ausdruck für einen schnellen Ausweg. »Das kostet ein paar Dollar mehr. Kein Ticket. Keine Zollbeamten«, hatte sie gesagt.
»Ich nehme meine Tochter nicht mit in ein Drogenflugzeug«, hatte er geantwortet.
»Meinetwegen. Dann warte in der Stadt auf einen Bus. Manchmal kommt er einmal pro Woche. Manchmal einmal im Monat. Hier gibt es eine Menge Soldaten, und denen wird deine hübsche Tochter gut gefallen.«
Rubens hoffte, dass Josepha die Wahrheit über das Flugzeug gesagt hatte.
Die Explosionen ließen den Boden erbeben.
»Keine Angst, die räumen nur auf«, sagte Guillermo.
»Was räumen sie auf?«
»Wir lassen sie in Ruhe, und sie lassen uns in Ruhe.«
In der Ferne stieg ein riesiger Feuerball vom Dschungel auf, und in seinem Licht sah Rubens Hubschrauber und Leuchtspurgeschosse, glühende Funken und flüchtende Vögel.
Dann fuhren sie um eine Kurve, und ihm blieb beinahe das Herz stehen, als er das Flugzeug erblickte. Er hatte eine kleine Schmugglermaschine erwartet, höchstens zweimotorig. Aber das Flugzeug, das dort im gespenstischen Licht einiger tragbarer Scheinwerfer vor ihm stand, war ein Monster. Hoch und lang, dick und silbern. Es war eine Hercules, ein Militärflugzeug. Mit solchen Maschinen wurden Soldaten für Truppenübungen nach Rio Branco gebracht. An den Seiten befanden sich keine Kennzeichen. Rubens sah vier riesige Propeller. Und am Heck eine Laderampe, die offen stand wie ein gigantisches
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