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Todesspiel

Todesspiel

Titel: Todesspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.Scott Reiss
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Malaria und die Jaguare. Also lockte man unsere Vorfahren aus der Stadt hierher. Die Kautschukbarone erzählten ihnen, Kautschuk würde in Kugeln an Bäumen wachsen. Sie sagten ihnen, wenn sie sich das Geld für die Reise und die nötigen Werkzeuge liehen, könnten sie hier ein Vermögen verdienen.“
    „Aber als sie hier ankamen“, fiel Rubens seinem Vater ins Wort, der schon als Junge wütend war über die Ungerechtigkeit, „haben sie gemerkt, dass die Männer sie belogen hatten!“
    Die Kinder schauten sich in der Hütte um. Die Kautschukzapfer lebten im Dschungel in Hütten auf Stelzen, unter denen Schweine und Hühner umherwuselten. An den Wänden hingen ihre wenigen Habseligkeiten – ein paar blecherne Kochtöpfe, ein Foto von einem Großvater, eine Flasche mit Einreibemittel.
    „Ja, Kinder. Die Kautschukbarone haben in Manaus prächtige Villen und ein großartiges Opernhaus errichtet. Und sie haben Männer mit Schiffen angeheuert, die unseren Kautschuk abholen sollten. Vergesst das nie: Um den wirklichen Schuldigen zu finden, muss man manchmal den Mann suchen, der sich hinter dem Mann befindet, der vor einem steht.“
    „Erzähl uns von den Engländern“, riefen die Kinder begierig.
    „Die Engländer haben mitten in der Nacht ein Schiff geschickt, sie haben brasilianische Kautschukbäume gestohlen und die in einem fernen Land namens Malaysia angepflanzt. Da haben die Länder der Welt aufgehört, unseren Kautschuk zu kaufen, und die Barone sind nach Hause zurückgekehrt. Das Opernhaus ist verfallen. Aber wir Seringueiros sind geblieben. Wir saßen in der Falle.“ „Ich habe nicht das Gefühl, in einer Falle zu sitzen“, hatte Rubens einmal gesagt.
    Sein Vater hatte gelächelt. „Daran siehst du, wie sehr du in der Falle steckst.“
    Aber Rubens war von Natur aus optimistisch. Er mochte es, unter freiem Himmel zu schlafen, er liebte den Urwald und die Kautschukbäume. Man machte mit einem Messer einen Schnitt in die Rinde, dann lief der Kautschuk heraus wie weißes Blut und wurde in einer Blechtasse aufgefangen. Abends sammelte man die vollen Becher ein, und die Frauen trockneten den Kautschuk und rollten ihn zu dicken Kugeln, die dann verkauft werden konnten.
    Sie umrundeten eine Biegung, und Rubens’ Herz begann zu klopfen, als er die neue Schule am schlammigen Ufer erblickte. Die Missionare hatten Hütten aus Steinen gebaut anstatt aus Holz, das leicht verrottete. Rubens sah ein paar Kinder von Kautschukzapfern in Gummischuhen im Hof spielen.
    Auch einige Indiokinder waren dort, mit runden Gesichtern und blauschwarzem Haar, das zu Topffrisuren geschnitten war. Und ein paar Waisenkinder und Kinder von Goldsuchern, die man daran erkannte, dass sie barfuß liefen. Er sah Kinder, deren Väter bei den Trupps arbeiteten, die für die Rancher die Bäume verbrannten, um Weideland für Rinder zu gewinnen. Drei Mädchen in zerschlissenen Kleidern spielten mit Puppen, die sie sich aus großen Plastikbierflaschen gebastelt hatten.
    „Och, das arme Baby weint“, sagte ein Mädchen, während es die Flasche streichelte, als wäre sie ein Kleinkind.
    Die Stimme hatte es ihm sofort angetan. Das Mädchen war hübsch und hatte langes, krauses Haar, funkelnde schwarze Augen und die hennafarbene Haut einer Mulattin. Es gefiel ihm, wie sie sich immer wieder auf die Zehenspitzen stellte, als wollte sie möglichst viel von der Welt sehen. Und in ihrer Stimme lag Mitgefühl, selbst für eine Bierflaschenpuppe. Die Sonne beschien ihre Arme. Als sie lachte, rührte sich etwas in ihm, das unvertraut, aber angenehm war. Dann plötzlich packte ihn jemand an der Schulter und drehte ihn um.
    „Finger weg von ihr“, zischte ein großer, barfüßiger Junge mit milchigen Streifen in den blauen Augen, der sich drohend vorbeugte.
    Die Erwachsenen waren fort, die Kinder unter sich. In wenigen Minuten würde der Missionar aus dem Haus kommen. Wie der große Junge sich vor Rubens aufbaute, erinnerte ihn an einen Ameisenbär, der sich, wenn er sich bedroht fühlte, auf die Hinterbeine stellte, mit den Vorderbeinen ruderte und fauchte.
    „Ich bin Rubens.“ Er war überrascht, fühlte sich jedoch nicht eingeschüchtert und hatte keine Angst, seine Fäuste einzusetzen. Die kleine Mulattin schaute ihnen zu.
    „Ich bin Cizinio. Rosa gehört mir“, sagte der wütende Junge.
    Die Reifen hatten ihn daran erinnert.
    Manchmal passierte es ihm mitten in New York – in einem Museum mit Estrella oder auf der Arbeit bei der Gartenbaufirma

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