Todesspiele
Menschen, wie Sie wissen.« »Aber warum hat er nie etwas gesagt?« Sie schloss die Augen, als das Gefühl, bloßgestellt worden zu sein, übermächtig wurde. »Wir haben seitdem doch an mindestens zehn Fällen zusammengearbeitet. Er hat nie auch nur eine Andeutung gemacht.«
»Er ist Ihnen an jenem Abend nach Hause gefolgt. Sie haben ja damals schon für mich gearbeitet, und Reiser und ich kennen uns schon eine Ewigkeit, also kam er zuerst zu mir. Obwohl Sie noch Praktikantin waren, konnte man bereits Ihr Potenzial erkennen.« Er seufzte. »Und den ständigen Zorn. Immer waren Sie beherrscht, äußerlich ruhig und gelassen, aber in Ihnen brodelte der Zorn. Als Reiser mir erzählte, was Sie gesehen hatten und erlebt haben mussten, war mir klar, dass noch sehr viel mehr dahinter stecken würde ... etwas Düsteres, das nur Sie betraf. Ich fragte ihn, ob er der Meinung sei, auch Sie hätten etwas Illegales getan, aber er konnte nichts vorbringen.« »Also baten Sie ihn, meinen Namen aus der Sache herauszuhalten«, folgerte sie steif.
»Nur solange er keine Beweise dafür fand, dass Sie eine Straftat begangen hatten. Durch Ihren Tipp konnte er einen Durchsuchungsbefehl bekommen und fand die Tatwaffe im Schrank des Mörders sowie Darcys Blut an seinen Schuhbändern. Er konnte seinen Fall auch ohne Sie durchsetzen.«
»Aber wenn es ihm nicht gelungen wäre, hätten Sie ihm erlaubt, mich in den Zeugenstand zu rufen.« Als Lächeln war grimmig. »Es wäre das Richtige gewesen. Susannah, Sie besuchen Darcys Grab jedes Jahr an ihrem Todestag. Sie trauern noch immer um sie. Aber Sie haben Ihrem Leben die richtige Richtung gegeben. Sie verfolgen Täter mit einer Leidenschaft, die man in unserem Beruf selten findet. Sie hätten nichts gewonnen, wenn Sie damals zu Darcy Williams' Tod ausgesagt hätten.« »Da irren Sie sich«, sagte sie leise. »Ich muss mich jeden Tag im Spiegel betrachten und mir sagen, dass ich nur einen knapp zulässigen Ersatz für das Richtige getan habe. Aber dieses Mal möchte ich mit meiner Entscheidung leben können. Ich muss es tun, Al. Ich trage die Scham darüber, nicht das Richtige getan zu haben, schon mein halbes Leben lang mit mir herum. Ich will eine Chance haben, den Kopf wieder hochzuhalten. Wenn es nötig ist, deswegen meine Karriere zu opfern, dann muss es eben so sein. Und ich kann nicht fassen, dass ausgerechnet Sie es mir auszureden versuchen. Sie sind ein Mann des Gesetzes, Herrgott noch mal.«
»Ich habe meine Robe abgelegt, sobald ich Ihr Zimmer betreten habe. Ich bin als Ihr Freund hier.« Ihre Kehle verengte sich, und sie räusperte sich resolut. »Es gibt eine Menge Staatsanwälte, die eine ähnliche Vergangenheit haben wie ich. Bei ihnen funktioniert es auch.«
»Sie heißen aber nicht Vartanian.«
Sie zog mental den Kopf ein. »Okay, das ist ein Punkt. Aber meine Entscheidung steht fest. ASA Hathaway und ich haben morgen früh einen Termin. Sie kommt her. Und ich mache meine Aussage.« »Soll ich dabei sein?«
»Nein.« Die Ablehnung war ein Reflex gewesen, und als ihr das bewusst wurde, senkte sie den Kopf. »Ja«, verbesserte sie sich leise. Er nickte. »Gut.«
Sie zögerte. »Anschließend gehe ich zu einer Beerdigung. In Dutton.«
»Wessen?«
»Sheila Cunninghams. Sie war eines der Vergewaltigungsopfer. Am vergangenen Dienstag wollte sie meinem Bruder offenbar etwas erzählen, das mit dem zusammenhing, was vor dreizehn Jahren geschah, aber man hat sie vorher erschossen. Eines der Mitglieder von Simons Truppe war der Deputy unserer Heimatstadt. Er engagierte jemanden, der sie tötete, und erschoss den Mann nachher selbst, damit er nicht plaudern konnte. Und heute hat dieser Deputy meinen Bruder angeschossen.«
Al riss die Augen auf. »Sie haben mir bei Ihrem Anruf vorhin gar nicht mitgeteilt, dass Ihr Bruder angeschossen worden ist.«
»Nein, habe ich nicht.« Und wirklich verstehen konnte sie dieses Versäumnis auch nicht. »Daniel wird es schaffen. Dank seiner Freundin, Alex Fallon.« »Hat man diesen Deputy gefasst?«
»Na ja, sozusagen. Nachdem er Daniel niedergeschossen hatte, wollte er Alex erschießen. Sie ist ihm zuvorgekommen.«
Al blinzelte. »Ich brauche noch einen Drink.« Susannah holte eine weitere Miniflasche Whisky aus der Bar und nahm sich selbst ein Wasser.
Al stieß sein Glas leicht an ihre Flasche. »Auf das Richtige.«
Sie nickte. »Selbst wenn es hart wird.«
»Ich würde Ihren Bruder gerne kennnenlernen. Ich habe viel über ihn
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