Todesspirale: Roman (German Edition)
zuflüsterte, sondern es waren seine Gefühle, die mit ihm durchgingen. In den vergangenen Wochen hatte er ständig gegen eine Verletztheit angekämpft, die heftiger war, als er es sich je hatte vorstellen können, und ihre fortgesetzte Weigerung, mit ihm zu sprechen, war ein Schlag zu viel für seine Eitelkeit.
Er hätte schreien mögen, sie schütteln mögen. Was er stattdessen tat, war, einen Schritt zurückzutreten und mit kalter Arroganz zu sagen: »Dann fahr zur Hölle, Lady. Ich habe es bis oben hin satt, auf Knien vor dir herumzurutschen.«
Seine Blicke musterten sie langsam und bewusst abschätzig von der obersten widerspenstigen Locke bis zu den Spitzen ihrer Schlittschuhe, als wollte er sagen: »Und ehrlich gesagt weiß ich nicht mal, ob du es wert bist.« Dann machte er eine zackige Kehrtwendung und eilte davon, ohne noch einmal zurückzublicken.
Sasha ließ sich reichlich Zeit, durch den verlassenen vierten Flur zu gehen. Sie hatte sich so lange wie möglich erst in der Bar und anschließend in Connies Zimmer herumgedrückt, aber so gern sie auch die Nacht bei ihrer Freundin verbracht hätte, fürchtete sie doch, dass Mick auftauchen und sie zurückholen würde. Sicher, er hatte ganz offensichtlich die Nase voll von ihr. Aber seinen verdammten Job nahm er tatsächlich sehr ernst, und wenn sie sich nicht freiwillig wieder unter »Schutzhaft« begab, hielt sie es für durchaus möglich, dass er so lange an die Türen hämmerte, bis er sie aufgestöbert hatte. Und dann konnte es gut sein, dass er sie gewaltsam entführte.
Sie schlenderte an Zimmer Nummer 426 vorbei, als die Tür von 428 plötzlich geöffnet wurde, Lon auf den Flur trat und sie leise hinter sich schloss. Sasha spürte förmlich, wie ihr die Kinnlade herunterfiel, als sie verblüfft stehen blieb. Das war Karen Corsellis Zimmer.
Seinen Gesichtsausdruck, als er sich umdrehte und sie da stehen sah, hätte sie zu jedem anderen Zeitpunkt für komisch gehalten, aber im Moment war sie viel zu verdutzt, um ihn richtig zu würdigen. Sie widerstand der Versuchung, den Kopf wie ein mit voller Kraft getroffener Boxer zu schütteln, und setzte sich wieder in Bewegung.
Lon fluchte leise, packte ihren Oberarm, als sie auf seiner Höhe war, und schob sie vor sich her zum Fahrstuhl. Er hatte sich zwar hartnäckig geweigert, Sashas Spekulation Glauben zu schenken, dass sein Partner ihr wegen des Versprechens, das er ihr gegeben hatte, Schaden zufügen wollte, aber augenblicklich wusste Lon nur eins, nämlich dass er Sasha nicht in der Nähe haben wollte, sollte Karen plötzlich auf die Idee kommen, auf den Flur zu treten. Er atmete erst wieder beruhigt durch, als die Fahrstuhltüren sich hinter ihnen beiden schlossen.
»Du liebe Güte«, sagte sie und musste ein plötzliches albernes Kichern unterdrücken. »Dann stimmt es also doch, was die Kerle über Karen behaupten? Dass sie... dass sie, äh...«
»Den horizontalen Boogie-Woogie liebt?«
»Karen Corselli? «, fragte Sasha ungläubig und schüttelte den Kopf. »Natürlich habe ich von dem Gerücht gehört, aber ich muss dir sagen, Lonnie, es fällt mir immer noch schwer, es zu glauben.« Sie beäugte ihn prüfend. »Und du und Karen? Junge, das ist eine Kombination, auf die ich in einer Million Jahre nicht gekommen wäre.« Dann schwieg sie während der Fahrt nach unten und starrte ihn an, als würden die Antworten auf alle Fragen, die ihr durch den Kopf schossen, auf seiner Stirn aufleuchten, wenn sie ihn nur intensiv genug musterte.
Taten sie aber nicht. »Also«, fragte sie endlich, als die Türen im Erdgeschoss aufglitten. »Wie ist sie so?«
Lonnie schien sich in die Enge getrieben zu fühlen. Er rieb sich den Hals und blickte sich um. Dann nahm er ihren Ellbogen und führte sie durch die Lobby in die Lounge. »Komm mit. Wenn du es wirklich für nötig hältst, das durchzukauen, kannst du mir wenigstens einen Drink spendieren.«
»Solange du deinen Teil der Vereinbarung hältst und mir alles haarklein erzählst«, stimmte sie zu und prüfte verstohlen den Geldschein, der in ihrer Hosentasche steckte. Dann folgte sie ihm guter Dinge. Ein Zehner, der reichte für einige Drinks.
»Eine Cola für die Dame, und ich nehme ein Heineken«, sagte Lon der Cocktailkellnerin kurz darauf, und sie nickte und wollte schon gehen.
»Miss?«, hielt Sasha sie auf. »Ich hätte lieber einen Weißwein statt einer Cola, okay?« Sie hatte sich bereits einige Drinks genehmigt heute Abend und sollte lieber
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