Todesspirale: Roman (German Edition)
nichts mehr trinken. Aber ehrlich... Sie wandte sich ihm zu, als die Kellnerin ging und sagte trocken: »Ich bin keine zwanzig mehr, Lon. Das scheinst du immer wieder zu vergessen.«
Und das, dachte sie, war wahrscheinlich ihr Hauptproblem auf einen Nenner gebracht. Seit sie wieder vereint waren, hatte er sich verhalten, als ob sie die letzten fünfeinhalb Jahre in Watte verpackt auf einem Regal verstaut gewesen wäre. Er schien zu glauben, dass sie noch genau dieselbe war, unabhängig von den inzwischen verstrichenen Jahren oder den Erfahrungen, die sie gemacht hatte. Sasha blickte ihn über den Tisch hinweg an und sagte leichthin: »Während du weggesperrt warst, bin ich ziemlich erwachsen geworden.«
»Ja, okay. Tut mir leid.« Er zuckte entschuldigend die Achseln. Wenn Vinicor ein Beweis für ihr Erwachsensein war, dann hielt er ehrlich gesagt nicht viel davon.
Andererseits konnte er auch nichts dagegen unternehmen, so dass er genauso gut lernen konnte, damit zu leben.
»Also, erzähl mir von Karen«, forderte sie ihn auf. »Wie lange habt ihr beide schon« – sie ließ ihre Hand rotieren – »du weißt schon.«
»Ich würde sagen, dein Erwachsensein lässt noch sehr zu wünschen übrig, wenn du Sex immer noch ›du weißt schon‹ nennst.«
»Nettes Ablenkungsmanöver, Morrison. Aber ich rühre mich hier nicht von der Stelle, bis ich ein paar gewisse Antworten bekomme. Wie lange schlaft ihr schon miteinander?«
»Eine Weile«, sagte er schroff. »Und Karen ist okay. Sie kann ziemlich herrisch sein, was du wahrscheinlich schon weißt, aber sie ist auch sexy und manchmal sogar richtig verletzlich.«
»Tatsächlich? Nenne mir ein Beispiel.« Verletzlichkeit war so ungefähr das letzte Charakteristikum, das Sasha ihr zugeordnet hätte.
»Na ja, sie hat eine Todesangst vor -« Er brach plötzlich ab und durchbohrte Sasha mit seinen Blicken. »Das bleibt zwischen dir und mir, Sasha, hörst du? Alles – meine Beziehung mit ihr, was ich dir gleich erzähle. Es bleibt absolut unter uns. Und das schließt deinen Freund mit ein.«
Als ob sie dieser Tage mehr als das Allernotwendigste mit Special Agent Vinicor reden würde. Aber das konnte sie Lon nicht erzählen, ohne trostlose Erklärungen abzugeben, und sie hatte nicht die Absicht, das zu tun, also nickte sie nur. »Kapiert.«
»Kapiert reicht nicht, Süße. Ich möchte dein Wort.«
»Du hast mein Wort«, versicherte sie ihm ungeduldig. »Und nun sag schon!«
»Sie fürchtet sich vor Dunkelheit. Nein, mehr als das. Sie ist total verängstigt .«
»Du machst Witze.« Sasha blinzelte verblüfft. »Weißt du warum?«
»Genauso wenig wie du, Kleines. Sie hat diese kleine Nachttischlampe, die sie überall hin mitnimmt. Ich war einmal bei ihr, als das Ding durchgebrannt ist, und, Sasha, die Frau ist völlig ausgeflippt. Und ich rede nicht von ein bisschen außer Fassung geraten, ich rede davon, total, hundertprozentig durchgeknallt zu sein.«
»Arme Karen«, meinte Sasha mitfühlend. »Sie muss irgendwann in ihrem Leben ein grauenhaftes Erlebnis mit Dunkelheit gehabt haben. Vielleicht ist sie als Kind bei einem Ausflug mal in einer Höhle vergessen worden.«
»Ich habe keine Ahnung.« Lon zuckte die Achseln. »Aber Sasha, was ich sagen wollte ist, dass Karen nicht nur die Person ist, die du siehst.« Mann, das war die Untertreibung des Jahrhunderts. »Und ich möchte sie nicht in Verlegenheit bringen durch dein Wissen, dass ich mit ihr schlafe.«
Ganz zu schweigen davon, dass er, wenn es in Karen noch weitere, dunklere Abgründe gab, als er zuvor angedeutet hatte, Sasha keinem Risiko aussetzen wollte.
»Mein Güte, was dachtest du denn, was ich vorhatte, Lon?«, fragte Sasha empört, »zu ihr raufzugehen und es ihr auf die Nase zu binden?« Sie funkelte ihn an. »Du magst meine Haltung, ›du weißt schon‹ statt ›Sex‹ zu sagen, ein wenig kindisch finden, aber glaub mir, ich weiß, wie ich mich als Erwachsene verhalten muss.« Sie holte den Zehner aus der Tasche und warf ihn auf den Tisch, dann wollte sie aus der Sitzecke rutschen, wurde aber aufgehalten von der Kellnerin, die ihre Getränke brachte. Bis diese ihr das entsprechende Wechselgeld auf den Tisch gelegt hatte, hatte Lon ihre Hand ergriffen.
»Schon gut, schon gut; das meinte ich doch gar nicht«, sagte er und streichelte beruhigend ihre Hand. Sie holte tief Luft und kam sich etwas lächerlich vor, das sie so überreagiert hatte. Aber leider machte er da seine Fortschritte wieder zunichte,
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