Todesspirale: Roman (German Edition)
eventuell zu einer Lösung geführt, und etwas derartig Konstruktives brachte Lon Morrison nie zustande. Es gab die Möglichkeit einer gewissen Schadensbegrenzung, war ihm wieder eingefallen. Aber das nützte ihm natürlich absolut nichts, solange er nicht wusste, was für eine Waffe es war und wie er sie entschärfen konnte.
Folglich hatte er jetzt, als Resultat seiner vorherigen Panik, wahrscheinlich siebzehn bis achtzehn Minuten, um sicher in Karens Zimmer rein- und wieder rauszukommen, bevor sie ihren Schlüssel vermisste und das mit ihm in Verbindung brachte. Das Verschwinden des Schlüssels zusammen mit seiner Unfähigkeit, ihn heute Morgen für sie hochzukriegen, also, da musste man wirklich kein Genie sein, um zu wissen, welche Schlüsse sie daraus zöge.
Er hatte den Schlüssel ins Schloss gesteckt, als die Zimmertür Nummer 424 weiter unten im Flur geöffnet wurde. Hastig zog er den Schlüssel wieder heraus, steckte ihn in die Tasche und ging ein paar Schritte den Korridor hinunter. Er wäre beinahe über Connie Nakamura gestolpert, die mit Gepäckstücken in beiden Händen und unter dem Arm aus dem Zimmer trat. Da er Angriff für die beste Form der Verteidigung hielt, blickte er demonstrativ auf seine Armbanduhr.
»Also, wenn das keine Sensation ist, Nakamura ist tatsächlich pünktlich.« Er bot ihr keine Hilfe an, sondern lehnte sich lässig an die Wand und sah zu, wie sie mit dem ständig verrutschenden Schulterriemen ihrer Handtasche kämpfte, einem Hut, der ihr immer wieder über ein Auge rutschte, und drei verschieden großen Gepäckstücken. Sie hatte ein so ausdrucksstarkes Gesicht, er hätte sie am liebsten den ganzen Tag angesehen... aber dann dachte er wieder an seinen Zeitdruck, stieß sich ab von der Wand und wollte sie von den beiden größten Stücken befreien.
»Was tust du denn hier, Morrison?«, verlangte sie zu wissen. Sie rückte so würdevoll wie möglich ihre Schultertasche sowie ihren Hut zurecht, packte den übrig gebliebenen Koffer und marschierte zum Fahrstuhl. Lon schlenderte hinter ihr her und musste grinsen angesichts ihres durchgedrückten Rückens. Sie zu provozieren war wirklich ein Kinderspiel. Als sie jedoch den Fahrstuhl erreicht hatten, fiel ihm wieder der Ernst der Lage ein, und das Grinsen verging ihm.
Er sah sie ruhig an, als sie sich zu ihm umdrehte. »Was ich tue? Tja, ich werde es dir sagen, mein kleines chinesisches Zuckerpüppchen«, sagte er und streckte die Hand aus, um ihr Haar zu berühren.
Und prompt wurde ihm die Hand weggeschlagen. »Ich bin Japanerin, du Idiot.« Connie funkelte ihn an und reckte das Kinn. »Aber vielleicht ist das für dich ein und dasselbe. Vielleicht bist du einer von denen, die denken, dass wir alle gleich aussehen?«
»Nein.« Lon trat näher. »Soll ich dir sagen, was ich bin, mein kleines japanisches Zuckerpüppchen? Ich bin ein toter Mann. Und tote Männer haben keinen großen Sinn für Details.« Der Fahrstuhl kam an, und Lon schob Connies Taschen hinein. Sie trat ebenfalls in die Kabine, und er folgte ihr, drehte sich um und drückte den Türöffner. Dann wandte er sich wieder ihr zu, drängte sie gegen die Rückwand und hielt sie dadurch gefangen, dass er beide Hände links und rechts von ihrem Kopf flach an die Wand legte. »Und da ich wahrscheinlich diese Woche nicht überleben werde, kann ich genauso gut die Antwort auf etwas suchen, was mich schon seit einiger Zeit beschäftigt.«
Er ließ seine Hände in ihr Haar gleiten, hob ihren Kopf an, senkte seinen und küsste sie.
Und sie ließ es zu. Sie ließ ihn ihre versiegelten Lippen aufbrechen. Ließ ihn ihren Mund erkunden mit hei ßer, sinnlicher Zunge. Ließ ihn näher kommen und ihre Hüften mit seinen Schenkeln umgeben, seine Brust an ihre kleinen Brüste pressen. Für ungefähr eine Minute erlaubte sie ihm, das alles zu tun.
Dann kam sie wieder zur Vernunft. Sie biss ihm heftig in die Zunge und schob ihn weg.
Lon richtete sich auf und trat zurück. Er musterte sie eingehend und sah, wie sie sich den Mund mit dem Handrücken abwischte. Er sah aber auch, dass sich ihre Brustwarzen unter dem weichen Pullover abzeichneten, was vorher nicht der Fall war. Er lächelte. Dann ließ er den Türöffner los, drückte den Knopf für die Lobby und trat zurück auf den Flur. Sie beobachtete ihn die ganze Zeit über schweigend, verfolgte seine Bewegungen mit unsicherem Ebenholzblick.
»Ich wusste doch, dass du gut schmeckst«, sagte er leise, als die Türen sich schlossen.
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