Todesspirale: Roman (German Edition)
Dann schüttelte er die Verzauberung ab, drehte sich um und lief zurück zu Karens Zimmer. Wenig später kniete er neben dem Bett und studierte die Pistole in seiner Hand.
Er musste gegen den Drang ankämpfen, sie einfach mitzunehmen. Aber wenn sie sich diese Waffe beschaffen konnte, könnte sie sich leicht auch eine andere beschaffen, und bei dieser wusste er immerhin schon mal, womit er es zu tun hatte. Er wischte mögliche Fingerabdrücke mit der Tagesdecke ab und legte die Waffe wieder zurück in ihr Versteck. Er überlegte, welche Optionen ihm blieben, als er sich erhob und das Zimmer wieder verließ. Und gestattete sich ein kleines Lächeln.
Vielleicht, nur vielleicht bestand die vage Möglichkeit, dass er das überlebte, und dann konnte er die kleine Connie Nakamura noch ein bisschen mehr reizen.
In ihrem Kopf rumorten merkwürdige, beunruhigende Geräusche. Unterschwellige Störungen, die sie nicht richtig einordnen konnte. Mit dem lieblichen, schüchternen Lächeln, das sie schon vor Jahren perfektioniert hatte, vermied Karen jedes potenzielle Gespräch und verharrte in der selbstgewählten Nische von Isolation inmitten des Geplappers um sie herum. Sie ignorierte den wechselnden Geräuschpegel, während sie blind aus dem Busfenster starrte.
Ihr unscharfes Spiegelbild tanzte vor ihr auf der regennassen Scheibe und hielt ihre Aufmerksamkeit gefangen. Wenn sie nur festhalten könnte, was sie dort gespiegelt sah, wenn sie es analysieren könnte, dann lieferte es ihr vielleicht die Antworten, die sie suchte. Wiederholt versuchte sie zu beten, aber ihre Konzentration reichte nicht aus, und die Worte entglitten ihr.
Da war eine Konspiration im Gange; das wusste sie. Sie konnte es förmlich riechen. Lonnie, der eigentlich ihr Soldat sein sollte, hielt sich für Manns genug, um mit dieser schafsgesichtigen kleinen Sasha Miller gegen sie zu intrigieren. Gegen sie. Es war lachhaft, und wenn er auch nur eine Sekunde lang glaubte, dass sie ihm das durchgehen ließe, täuschte er sich gewaltig.
Ein scharfer Schmerz in ihrem Kopf durchzuckte sie, und Karen schloss kurz die Augen, um den zunehmenden Druck zu verringern. Sie drückte die Stirn an die kühle Fensterscheibe und konzentrierte sich auf die Worte des dreiundzwanzigsten Psalms, bemühte sich, sie trotz des Rumorens in ihrem Kopf zusammenzubringen. Stück für Stück ließ der Schmerz nach und sie spürte wieder die Macht in sich.
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Sie hatte geglaubt, dass sie sich auf Lon verlassen konnte. Ja, er hatte seine Bedenken; und ja, er hatte gezögert; aber sie hatte ihn behutsam und problemlos auf den Pfad geführt, auf dem sie ihn haben wollte. Der Pfad, den er schon einmal für sie betreten hatte. Eigentlich sollte er ihr folgen, tun, was sie verlangte, aber stattdessen nörgelte diese Kindfrau an ihm herum und lenkte ihn ab und …
Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal - »Was?« Karen drehte sich um zu der Person, die ihr etwas ins Ohr murmelte. Sie musste sich wirklich dazu zwingen, ein freundliches Gesicht zu machen, aber sie hasste es, wenn Leute nicht deutlich sprachen. Und unabhängig davon, dass sie die einzelnen Wörter nicht verstand, gefiel ihr auch der vage gehässige Tonfall absolut nicht.
Niemand war da.
Sie blickte sich um. Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Oh Gott, oh Gott. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.
Dies war nicht das erste Mal, dass sie geglaubt hatte, dass eine Stimme ihr etwas zuflüsterte. Das war Sasha Millers Schuld. Sie hatte diese Probleme nie gehabt, bevor die kleine Du-hast-mir-versprochen-nicht-mit-Drogen-zu-dealen-Miller ihre Einflüsterungskampagne bei Lon Morrison begonnen hatte. Ihrem Lon Morrison.
Bevor sie Mick Vinicor gegen sie eingenommen hatte. Und was steckte überhaupt hinter dieser Beziehung? Eben noch waren sie das große, heiße Thema – geradezu zum Kotzen – und gleich darauf schien schon wieder Schluss zu sein. Dennoch teilte Miller in jeder neuen Stadt, in die sie kamen, das Zimmer mit ihm, und er beobachtete sie immer noch wie ein Liebender. Aber wie ein frustrierter Liebender. Karen glaubte nicht, dass Sasha Sex mit ihm hatte.
Auch egal. Nach Denver wäre Karen nur zu glücklich, den Teil zu übernehmen und ihm zu zeigen, was
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