Todesspur
Hauses, dessen Fassade bis zum zweiten Stock hinauf vom Qualm geschwärzt ist. Das Feuer scheint bereits gelöscht worden zu sein, eben wird ein dicker Schlauch wieder eingerollt, nur der beißende Geruch nach Verbranntem liegt noch in der Luft. Aber wo ist seine Mutter? Gerade als Fernando einem Streifenbeamten seinen Dienstausweis zeigt und auf den völlig ausgebrannten Laden zurennt, wird aus der Hofeinfahrt eine Trage gerollt. Zwei Sanitäter, eine Ärztin und ein Mann, auf dessen Weste Leitender Notarzt steht, begleiten das Gefährt, hinter ihnen sieht Fernando seinen Freund Antonio. Pedras Gesicht wird von einer Sauerstoffmaske verdeckt. Auf Fernandos Rufe reagiert sie nicht. »Was hat sie? Was ist mit ihr?« Keiner beantwortet seine Frage, die Trage verschwindet samt Pedra und der Ärztin im Inneren des Transporters. Fernando macht Anstalten, den beiden zu folgen.
»Sie bleiben draußen!«, herrscht ihn der Notarzt an.
»Aber ich bin ihr Sohn!« Fernando ist kurz davor, hysterisch zu werden. »Was ist mit ihr? Nun reden Sie doch!«, brüllt er den Mann an und kann sich gerade noch beherrschen, denn am liebsten würde er ihn am Kragen packen und die Worte aus ihm herausschütteln, die richtigen Worte, er will sofort hören, dass es ihr gut geht, dass sie überleben wird …
»Schwere Rauchvergiftung, wir bringen sie ins Siloah«, antwortet der Notarzt, knallt die Hecktür zu, springt auf den Beifahrersitz, das Blaulicht flammt auf, die Sirene hallt ohrenbetäubend von den Häuserfronten wider. Für einen irrsinnigen Moment wird Fernando von einem heftigen Déjà - vu überwältigt. Gestern Nachmittag, war es da nicht genauso? Wird sein Schicksal jetzt nur noch von abfahrenden Krankenwagen bestimmt?
Eine Hand legt sich auf Fernandos Schulter. Es ist Antonio. »Komm, ich fahr dich.«
»Nein, mit dem Motorrad bin ich schneller!«
»Schneller im Graben, ja. Los, mitkommen, avanti !« Antonios Stimme duldet keinen Widerspruch, und Fernando weiß, dass ihn sein alter Schulkamerad und Nachbar zur Not auch unter Anwendung von Gewalt am Motorradfahren hindern würde. Also folgt er ihm in den Hinterhof, wo Antonios Autosammlung vor seiner Werkstatt steht. Dort warten drei Kollegen von der Brandermittlung darauf, dass die Feuerwehr das Gebäude freigibt. Fernando reicht einem von ihnen seine Visitenkarte und bittet darum, ihn auf dem Laufenden zu halten.
»Es ist der Laden meiner Mutter.«
Der Mann nickt, dann schaut er Fernando prüfend an. »Ah, du bist der vom Plakat!«, ruft er und grinst. Noch ein falsches Wort, und ich polier dir die Fresse, denkt Fernando. Seine Nerven liegen blank. Aber der Mann hält den Mund, und Fernando dreht sich wortlos um und steigt in Antonios alten Alfa Giulia. Auf der Rückbank sitzt eine verhüllte Gestalt, bei deren Anblick er erschrocken zusammenzuckt. Erst auf den zweiten Blick erkennt Fernando Jamaina, die ihr Kopftuch tief ins Gesicht gezogen hat.
Muss diese Frau neuerdings immer dann zugegen sein, wenn es mir dreckig geht, rätselt Fernando und fragt laut: »Was machst du denn hier?«
Antonio gibt Gas und schießt aus der Einfahrt, mit der Hupe verscheucht er die Schaulustigen, die noch immer davor herumlungern. Er antwortet an Jamainas Stelle. »Sie muss hier weg, es wimmelt hier von Bullen.«
Offenbar ist Antonio über die Besonderheiten dieses Arbeitsverhältnisses im Bilde, stellt Fernando leicht gekränkt fest. Womöglich hat er es erfahren, noch bevor ich Bescheid wusste! Mit quietschenden Reifen biegt der Alfa um die Ecke, auf der Spur des Krankenwagens.
»Was du nicht sagst. Als ob wir jetzt keine anderen Probleme hätten«, mault Fernando, aber Antonio fährt ihm grob über den Mund: »Du kannst ihr auf Knien danken, cretino! Ohne sie wäre deine Mutter jetzt ein Brikett.«
»Stimmt das?«, fragt Fernando, vor dessen innerem Auge dank Antonios Wortwahl grässliche Bilder entstehen.
Jamaina gibt einen zustimmenden Laut von sich. Sie lässt ihr Kopftuch sinken, und jetzt bemerkt Fernando, dass sie am ganzen Leib zittert.
»Ist dir was passiert, bist du verletzt?«, fragt er besorgt. Als sie nicht antwortet, meint Fernando zu Antonio: »Sie hat einen Schock oder so was. Sie muss auch ins Krankenhaus.«
»Nein!«, ruft Jamaina erschrocken. »Es ist gut, mir geht gut.«
Das ist zwar übertrieben, aber Fernando sieht ein, dass er die Frau niemals dazu bewegen wird, zu einem Arzt zu gehen. Jedenfalls nicht in einem Krankenhaus, wo man sie sofort nach ihrer
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